Glückliche Städte

So werden sie aussehen: 

  • sie haben eine flache Silhouette – die Gebäude von öffentlichem Interesse dürfen zur Identifikation und Orientierung herausragen.
  • sie sind von hoher Dichte – dafür genügen 4-6 Etagen wie in Paris (4-fache Dichte von Zürich). An wichtigen Kreuzungen oder Bahnhöfen können es 8 Etagen sein.
  • sie bieten in ihren Gebäuden Bodenbezug und Verwurzelung im Quartier.
  • sie sind für das Stadtklima mit tiefwurzelnden Grossbäumen versehen. 
  • sie brauchen wenig Energie bei Bau und jahrzehntelangem Betrieb. 

Mit leichter Hand hingeworfen ist das der Versuch, ein mögliches Bild der guten Stadt der näheren Zukunft zu geben. Formen Sie mit – wir wollen die nächsten 20 Jahre voraussehen und an einer Stadt bauen, die dann rückblickend sinnvoll ist. Die Fortschreibung der Vergangenheit ist im gegenwärtigen Paradigmenwechsel hinfällig geworden. Die neuen Beurteilungskriterien sind Klima, Energie, CO2 und die Bezahlbarkeit des Wohnens. Permanent bleibt die Sorge für eine angenehme und lebensnahe Stadt mit schönen Wohnquartieren.

Bilder: oben Odessa, unten Paris / Zürich West

Froh um jedes Lüftchen

Mit den paar Tagen Hitze hinter uns sehen wir, wie ausgeliefert wir ihr sind. Das wird uns dann besonders klar, wenn im sommerlich schwachwindigen Zürich die Luft bei der üblichen hohen Luftfeuchtigkeit stillsteht. Das trübt die Freude am Sommer. Die Erkenntnis daraus: jedes Lüftchen ist Gold wert.

In den Hängen von Zürich-, Höngger- und Friesenberg können Hangwinde Erleichterung bringen. Im Pavé von Zürich herrscht passive Trostlosigkeit. Bremsen da die Häuser die lauen Lüftchen? Ein europäischer Teppich von Häusern – z.B. «le Tapis de Paris» bremst nicht, der Wind oder die Windchen streichen darüber hinweg. Durch Sog und Druck infolge von Strassen und Höfen wird eine Vielzahl kleiner Wirbel erzeugt. Ganz anders bei Hochhäusern, die das Häusermeer übersteigen. 1 Turm bremst noch nicht, doch ein Hochhaus-Stoppelfeld wie in Zürich, das sich jetzt rasant verdichtet, schon. Es erheben sich Wände, die sich in den sommerlich schalen Luftstrom stellen. Das Lochergut und die Depôt-Hard-Hochhäuser an der Limmat sind prominente Beispiele.

Wie der Stadtkörper als Ganzes geformt ist, beginnt im Zeitalter der Klimaerwärmung eine immer grössere Rolle zu spielen. Das muss eine aufgeweckte Bauverwaltung umgehend in Rechnung stellen. Die österreichische Stad Graz tat dies bereits im Jahr 2017. Sie hat die Hitzeproblematik erfasst und einen Klimaanpassungsplan mit 100 Massnahmen parlamentarisch beschlossen. Darin sind z.B. bauliche Strömungshindernisse erfasst. Zürich, hingegen, beratet jetzt die Erweiterung der 2001 bereits viel zu gross ausgelegten Hochauszonen. Dazu kommt noch die Idee einer «Dubai-Zone» mit unlimitierten Höhen. Dürfen wir mit den Wahlen von 2026 auf frischen Wind hoffen?

43° Celsius

Heute auf Instagram: “Portugal and Spain will face unbearable 43°C heat this weekend”. Bei uns sind es jetzt 33°C (nach Wetterbericht «gefühlt 35°C»); im schwachwindigen Pavé von Zürich und bei der hohen Luftfeuchtigkeit sehr unangenehm. Wir alle wissen, dass sich der Temperaturgalopp in den nächsten Jahren fortsetzen wird.

Möchte Zürich eine “Smart City” sein? 

Wenn Ja, müsste die Stadt sicherstellen, dass ab jetzt keine Fehler mehr gebaut werden. Das heisst: keine versiegelten Flächen und keine neuen Hochhäuser. Das erste ist längst erkannt. Stadträtin Simone Brander vermehrt Grünflächen und hat begonnen, eine Vielzahl von Anlagen zu schaffen (Posting vom 2. Juni 2025). Bei den Hochhäusern (Departemente von Stadtrat André Odermatt und Stadtpräsidentin Corine Mauch) braucht es noch Effort. Das Bild aus Lyon ist mit «Canicule) (Hundstage) und «höllische Hitze im Turm» bezeichnet. «Quartier minéral et peu ombragé» sind die weiteren Bemerkungen. Man «bratet» im Turm, weil er aus dem Häusermeer herausragt und schutzlos der Sonne ausgesetzt ist. Weil die Durchgrünung mit Bäumen fehlt, erntet auch das Pavé der Normalbebauung Kritik.

Die beste und auch dichte Stadtform ist «low rise / high density», weil sich daraus ein hitzeresistenteres Stadtgewebe ergibt, in dem Haus & Baum ähnliche Höhen erreichen. Das flirrende Licht der Blätter weicht nach dem herbstlichen Blattfall den Sonnenstrahlen auf Strassen und Fassaden. Diese Zusammenschau sieht «zuerivitruv» als Diskussionsbeitrag auf dem Weg zur Zürcher «Smart City».

Ein unkonventioneller Lebensraum

Die im letzten von 7 weitern Postings seit 2021 beschriebene Vision von «Stadthallen» sind letzten Freitag in einer Heftvernissage als «Säulenhallen» von der Architekturzeitschrift «Hochparterre» und der «IG Zentrum Hardbrücke» präsentiert worden. Hochparterre hat ein Sonderheft mit Texten und ausserordentlich sehenswerten Graphiken (unteres Bild) herausgegeben. Damit koordiniert wurde auf dem politischen Parkett ein Vorstoss im Gemeinderat eingereicht. Die Chancen stehen gut, dass die Umwandlung von der das Quartier trennenden Pfostenpalisade in einen Kern von Zürich West gelingt. Das wäre – 35 Jahre (!!!) nach Aufhebung der Industriezonen – der entscheidende Schritt in Zürich West. Hier wird wertvoller «Common Ground» geschaffen. Wenn sich die flankierenden Gebäude auf die offene, 800 Meter lange Säulenhalle ausrichten, ist der Stadtteil auf seine Art perfekt.

Nach der Veranstaltung hat «zuerivitruv» auf dem Weg zur Busstation auf der Hardbrücke der Zone noch den Puls genommen. Die Bilder zeigen, dass das Leben an den Flanken bereits schöne Blüten treibt, die nur darauf warten mit dem formidablen Dach der Säulenhalle in einen Zusammenhang zu geraten. Schon heute wird deutlich, dass hier unkonventioneller Lebensraum entstehen kann.

Stadthallen in Parma und Zürich

Dank Internet ist es möglich geworden, Kindheitserinnerungen zu rekuperieren. Auf der Reise an den Adriastrand zeigte der Vater damals nach dem Nachtessen in Parma diese Pfeilerhalle des Palazzo Communale. Es fand darin gerade ein Mercato für Bücher statt. Obwohl der modernen Architekturbewegung angehörig, faszinierte ihn offenbar dieser historische öffentliche Raum. Die beiden unteren Bilder zeigen Parma, oben das städtebaulich noch nicht genutzte Potenzial in Zürich und nebenan eine Nutzung in Paris unter dem Dach der Méteo Aérien.

Der mögliche Raum der Zürcher Halle geht seitlich weit über den Zwischenbereich der Pfeiler hinaus, denn die Konstruktion weist auskragende Flügel auf. Diese gab es schon in den siebziger Jahren. Doch mit der Einzwängung der Tramlinie zwischen die Stützen kam um 2010 auch beidseitig die enge Pfostenreihe. Damit war die Blockade der Fussgängerzirkulation über die Hardstrasse – und damit im Herzen von Zürich West – fast perfekt. Das bekümmert «zuerivitruv» seit Dezember 2021 und führte seither zur Produktion von bereits 7 Postings zu diesem Thema. Doch gibt es auch weiterhin grosse Vorteile dieser Umbauetappe: Die verbreiterten Flügel und die balkonartig auskragenden Busstationen mit den grosszügigen Spiraltreppen, die den Raum der Hardstrasse erstmals richtig erlebbar machen. Auf beiden Seiten haben die Architekten ein nachts nach innen wirkendes Leuchtband installiert. Es begeistert, denn es gleitet in tiefer Flugbahn durch das Herz von Zürich West. Alles scheint vorbereitet für ein einigendes Dach in Zürichs Westen. Es braucht nur noch die Verlegung des Trams auf die seitlichen Strassen, wo es eigentlich auch hingehört. Über die Nutzung der überdeckten Längshalle muss man sich in dieser zentralen Lage keine Sorgen machen. Wann kommt der Architekturwettbewerb?

Pfingsten auf der Stolzewiese

 «Zuerivitruv» erinnert sich, weit im letzten Jahrhundert, bei der Durchfahrt von Valencia ein durch vergnügte Menschen belebtes Flussbett gesehen zu haben. Ein unvergessliches Bild urbaner Fröhlichkeit. An Pfingsten war er nochmals auf der Stolzewiese im Quartier Oberstrass. Da flogen Bälle, da war Kinderspiel, Knirpse machten ihre ersten Schritte und Eltern verweilten an den neuen Tischen des bewirteten «Stolzehüsli», welches wir von einem früheren Posting kennen.

Das Erlebnis an Pfingsten überzeugt «zuerivitruv» immer mehr davon, dass Quartiere bei sorgfältiger Pflege an Sonn- und Festtagen nicht mehr in Massen fluchtartig verlassen werden müssen. Solche öffentlichen Räume können «Stadtraum als Wohnzimmer der Gesellschaft» sein. Diese wertvollen Worte schreibt «zuerivitruv» gerne dem Architekten Martin Albers des Büros Amman Albers StadtWerke zu.

Der Mikrostädtebau

Nach dem «Stolzehüsli» trägt uns der kleine- oder «Mikrostädtebau» weiter auf die Rückseite des Globus-Provisoriums und an die Sihlfeldstrasse. Stadtrat Ruedi Aeschbacher hat seinerzeit mit der Aufwertung einer Vielzahl kleiner Orte begonnen. Darunter der hier schon bestbekannte Haldenbachplatz zwischen Sonnegg- und Culmannstrasse im Stadtquartier Oberstrass. 

Hinter dem Globus-Provisorium wurde der Handschuh umgekehrt: aus einem Unort, der einem den Übergang von der Limmat in Richtung Bahnhof vermieste, ist eine kleine Anlage mit Bänken und Bäumen geworden. Zur Freude des Tiefbauamtes hat das Publikum die Anlage angenommen. Das zweite Beispiel bemerkte «zuerivitruv» auf der Sihlfeldstrasse zwischen Bullingerplatz und Lochergut. Zum Glück gerade müde, ergab sich für ihn die Gelegenheit, das Leben zu beobachten. Ein Pärchen spielte Tischtennis, ein anderes kam per Velo und plauderte auf einer Bank. Zürich auf der Spur von «Savoir Vivre». Das Tiefbauamt agiert mit ruhiger Hand. 

Nach den Impressionisten folgte in Paris eine kleine rebellische Gruppe unter dem Namen Nabis (Pierre Bonnard, Edouard Vuillard, Félix Vallotton). Sie studierten und interpretierten das Wohnumfeld mit den kleinen Plätzen im Verhältnis zu den Häusern und deren Ausstattung: kleine Pärke, Kioske, Baumgruppen und Bänke und natürlich das sich darin ereignende Stadtleben. 

Das Stolzehüsli

Im Kreis 6 laden neuerdings brandneue hellblaue Tische auf der Terrasse des «Stolze-Hüsli» zum Verweilen ein. Sollte das nicht genügen, bietet die sorgfältig gebaute Arkade Geborgenheit. Aus dem Innenraum kommen Getränke und leichte Speisen. Diese Geste des Willkommenseins an der Stolzewiese entspringt der Umwandlung eines vor bald 100 Jahren erstaunlich nobel geratenen Unterhaltsgebäudes dieses Freiraumes. 

Am anderen Ende der grossen Wiese liegt ein ausgereifter Spielplatz. Dazwischen die Weite des Grüns. Letzten Samstag faszinierte der Blick aus der Arkade über die grosse Wiese zu einer über die lange Zeit zusammengewachsenen Baumkulisse. Deren Äste wogten im Wind auf und ab. Auf beiden Seiten zeigten sich dahinter die Bauten der Riedtlisiedlung aus dem Jahr 1912 – ein überaus gelungenes Beispiel des damaligen (europäischen) Reformstädtebaus. Das Spannungsfeld über diesen grosszügigen Freiraum hinweg erlebte «zuerivitruv» intensiv und wohltuend. Man muss heute staunen, was hier in den Zwanzigerjahren an Städtebau gelungen ist. Dass die Anlage in der Quartiersubstanz versteckt ist, schneidet sie auf den Kreis 6 zu. Ob dies alles zusammen am letzten Samstag zu den erstaunlich vielen spontanen Gesprächen führte? Eine weitere Beobachtung: Nach der Lesung im Stolzehüsli begann sich am Rand der Wiese die Generation Z zu gruppieren. 

Ist hier, dank des Zusammenwirkens von privater Initiative und der Stadtverwaltung, neues Quartierleben am Gelingen? Erleben wir eine neue Form des urbanen Zusammenlebens? Jedenfalls ist die Stolzewiese ähnlich den Quaialagen (2 Postings zurück) eine Entwicklungsstufe weiter.