Pink City

Was bedeutet es, wenn eine ganze Stadt in Rosarot getaucht ist, wie Jaipur, die Hauptstadt von Rajasthan in Indien? Man kommt auf den Hauptplatz, in die grossen Strassenzüge und vor den Palast der Winde – überall ist der Verputz rosarot. 1727 gründete Maharadscha Jai Singh II die heutige Altstadt als neue Hauptstadt des Fürstenstaates Jaipur. Der rosarote Anstrich wurde 1876 aus Anlass des Besuches des damaligen Prince of Wales vorgenommen. «zuerivitruv» war dort – das Rosarot ist noch da und ergibt mit dem feinen Blattwerk der Bäume eine wunderbare Atmosphäre.

Im selben Staat Rajasthan kommt Jodhpur in starkem Blau daher. Wikipedia nennt Brahmanentum oder Moskitos als Begründung für die Farbe – sie geht jedenfalls bis in jeden Winkel.

Pflaster, Mörtel, Verputz ist die Grundlage für den Auftrag der Farbpigmente. Mit «Barn Red» der Scheunen und Riegelbauten des Nordens meldet sich auch Holz als Träger von Farbe. Als bei uns die Backsteingebäude aus dem Mittelalter herauswuchsen, wurde Farbe nicht nur möglich, sondern bewusst zur Gestaltung eingesetzt. Pro Gebäude, oder verbreitet in einem lokalen Farbfächer wie etwa in Rom. Wo Stein nah und günstig war, stand Verputz und Pigment nicht im Vordergrund. Gehen Sie nach Chinon im Depatement Indre-et-Loire und Sie sehen nur gelblichen Kalkstein und: dunkel schimmernde Schieferdächer. «berauschend» sein kann jedoch nur Verputz und Pigment.

Farbe & Stadt

Nach mehreren Postings über die Bewältigung der Zukunft (schon mit Blick auf die Wahlen 2026) machen wir jetzt ein wenig Ferien im Thema «Farbe & Stadt». Bei einigen Städten macht es beim geistigen Zusammenkneifen der Augen «bling». Rom ist schon einmal als Stadtkörper schön modelliert, schimmert aber auch in kräftigen Tönen. Das genügt schon, um Charakter auszumachen. Paris tritt anders hervor: Der helle warmtönige Kalkstein lässt die Strassenzüge gleichmässig bleich und freundlich erscheinen. Feine Akzente sind – wie es Haussmann wollte – die gusseisernen Geländerzeilen und die hellgrauen Zinndächer. Paris kennt die Farbe nicht. Die Boulevards bringen das flirrende Grün der Blätter. Diese subtilen Kontraste machen den eleganten Charakter der Stadt. Suchen wir weiter nach Charakter, kommen der Backstein der nordischen (hanseatischen) Städte. Ganz im Süden schützt weisser Kalk vor Sonne.

Dem Überblick dient die Unterscheidung von Naturstein (Bern/Paris), Backstein (Hamburg) und Verputz (Rom). Die ersteren zeigen die Eigenfarbe oder Nicht-Farbe des Materials, das letztere – der Verputz – kann sehr farbig werden.

Lasst uns Zürich finden: In der Altstadt war es ursprünglich die Eigenfarbe des Verputzes: grau und beige. Die Stadterweiterung im Bahnhofquartier brachte den graugrünen Sandstein des oberen Zürichsees. Mit der Eisenbahn wurden u.a. hellere Natursteine möglich. Neu gebaute Stadterweiterungen – vornehmlich dem Wohnen dienend – wurden in verputztem Backstein erstellt. Der Verputz als idealer Farbträger. Damit startete die Welt der Pigmente. Im Bild die zwei Bücher des dänischen Experten Bente Lange über Farben von Kopenhagen und Rom.

Umfassende Ziele für Zürich

Wir kommen nicht darum herum, auf der klimagerechten Spur weiterzufahren. Das heisst, laufend Emissionen reduzieren, aber auch das Auffangen der bereits eingetretenen Erwärmung in der Stadt. «zuerivitruv» setzt auf kluge Optimierung der Lebensart. Wieder in obiger Aufteilung bedeutet das «all business is local» – im Quartier einkaufen. Es gibt bereits «Migrolinos», die sich zu den schon bestehenden Auslagen für Gemüse und Früchte gesellen. Mit fussläufiger Erreichbarkeit entfällt der Motor. Die Fahrt ins Verkehrsgewühl der Einkaufszentren im Glattal ist nicht mehr Teil des Lebens und die Verwurzelung im Quartier wird besser.

Der andere Zweig, das Auffangen der Erwärmung, heisst Orte der Stadt klimatisch verbessern und neue schaffen. Z.B. wartet das überbreite Trottoir entlang der Rämistrasse (unsere Ringstrasse) seit der Fertigstellung des steinernen Chipperfield-Baus auf den Schatten von Alleebäumen. Die europäischen Städte haben aus der Zeit der Befestigungsanlagen Ringstrassen mit Alleen geschaffen. Das soeben Gesagte ruft nach einem Konzept für Baumpflanzungen. Macht man Gewässer zugänglich, kommt bewegte Luft. Weil die Stadt (!!!) und die meisten politischen Parteien im letzten Jahr die Uferschutzinitiative bekämpft haben, ist der Limmatraum momentan ohne Perspektive. 

Würde man auf die weitere Wuhanisierung mit Hochhäusern verzichten, könnten sich die im Zürcher Sommer stets spärlichen Lüfte ebenmässig überallhin verteilen. Ist der Strassenraum mit tiefwurzelnden Grossbäumen versehen und bilden diese zusammen mit ähnlich hohen Gebäuden ein Stadtgewebe, erhielten wir einen resilienten Stadtkörper. Klar ist auch, dass solch umfassende Ziele mit Amtsverzettelung nicht zu erreichen sind. Es braucht dazu «Volonté Générale» im Stadtrat. «zuerivitruv» sieht diese Zeilen als Anregung für die nächsten 20 Jahre.

Evolution der Stadt Zürich

Es wurde nachgefragt: die Autobahnspaghetti des letzten Postings sind diejenigen von Boston; darüber ein Boulevard in Paris von Claude Monet und die Turnerstrasse in Zürich. Der Faden «welche Zukunft für die Stadt Zürich?» wird hier fortgesetzt.

Wie geht es weiter? Niemand will die nicht ausgeführten Pläne des Expressstrassen-Y aus den siebziger Jahren zurück. Wir können stolz darauf sein, noch einmal davongekommen und Zürich als europäische Stadt gerettet zu haben. Die vor dem Automobil angelegte Stadt in attraktiver Lage leidet seit den späten Fünfzigerjahren unter den Folgen des Verkehrs. Ebenso das Automobil, das nicht vorwärtskommt.

Seit etwa 2000 nehmen inzwischen fast alle das Tram zur Arbeit und für den Besuch der Innenstadt. Das Velo hat einen kleinen aber wachsenden Anteil am Verkehr errungen. Alles ändert sich im Takt des Generationenwechsels. Man soll das nicht als Leiden sehen, sondern als Evolution. Jetzt kommt noch der ästhetische und soziale Anspruch ans Leben, den wir in Europa haben: Die Strasse bewegt sich von der Rennbahn zum lebbaren Bewegungsraum; Durchgangsstrassen bleiben. Die Veloidylle kann mit Eltern, die auf der Fahrt mit ihren Kindern sprechen, berührend sein – der zarte Beginn eines neuen urbanen Stils? In dieser Übergangsphase, wo sich Gewichte von Generation zu Generation verschieben (und nicht das eine das andere ersetzt), braucht es Gelassenheit. Die Stadt hat die Aufgabe, den Stand der Synthese laufend zu kommunizierten. Heute stehen die 15 Minuten-Stadt in Kombination mit Energie/Klima/CO2 als treibende Kräfte im Vordergrund.

Stadt & Evolution

Im letzten Posting haben wir von der Zukunft der flachen und dichten Stadt gesprochen. Die flache Gestalt (4-6, an speziellen Punkten 8 Etagen) macht die europäische Stadt aus und gibt ihr ganz viele Qualitäten. Dazu gehört nicht zuletzt die Bodennähe – der gute urbane Bezug zum Quartier. Die Phase, nach dem Vorbild Amerikas jeden Punkt der Stadt per Auto über Autobahnspaghetti erreichbar zu machen, aber die Stadt auch gewaltig mit Parkplätzen zu verdünnen, haben wir schon lange hinter uns gelassen. In Zürich mit dem «Autobahn-Y» das mitten durch die Stadt gepflügt worden wäre. Wenn die Erreichbarkeit per Auto über alles andere gestellt wird, entsteht ein Flächenanspruch, der, wie sich längst gezeigt hat, nicht in die europäische Stadt gezwängt werden kann, ohne sie zu zerstören. Zusammen mit «Energie / Klima / CO2», dem Trio unserer Zeit, entstehen jetzt in Europa neue Ideen zur weiteren Entwicklung unserer Städte. Das Gewebe von Haus & Grossbaum in ähnlicher Höhe haben wir schon als Wärmeschutz kennengelernt. Das Zuviel an Transportzeit pro Tag im Auto kann mit der in Paris erfundenen «15-Minuten-Stadt» (Carlos Moreno) reduziert werden. Man ist nicht mehr gezwungen von Zürich ins Glattzentrum zu fahren – man findet das Meiste fussläufig im Quartier; wie bereits am Rigi-, am Hottinger oder am Kreuzplatz. 

Diese ganze Transition muss das Gemeinwesen (die Stadt Zürich) mit klugem Kopf inspirieren und leiten. Hier ist Evolution und nicht Revolution angesagt. Das braucht den Aufbau einer «Volonté Générale» mit viel Aufklärung und Diskussion. Es ist wie in der Tonhalle: Der Dirigent und das Orchester (und die Zuhörer). Wie Sie sehen, fliegt die Fantasie und das ist das Zeichen jeder lebendigen Zivilisation. Denken wir an die Wahlen von 2026 – der Wechsel findet glücklicherweise in den beiden Schlüsselämtern Präsidial- und Hochbauamt mit den Ressorts «Stadtentwicklung» und «Städtebau» statt. 

Glückliche Städte

So werden sie aussehen: 

  • sie haben eine flache Silhouette – die Gebäude von öffentlichem Interesse dürfen zur Identifikation und Orientierung herausragen.
  • sie sind von hoher Dichte – dafür genügen 4-6 Etagen wie in Paris (4-fache Dichte von Zürich). An wichtigen Kreuzungen oder Bahnhöfen können es 8 Etagen sein.
  • sie bieten in ihren Gebäuden Bodenbezug und Verwurzelung im Quartier.
  • sie sind für das Stadtklima mit tiefwurzelnden Grossbäumen versehen. 
  • sie brauchen wenig Energie bei Bau und jahrzehntelangem Betrieb. 

Mit leichter Hand hingeworfen ist das der Versuch, ein mögliches Bild der guten Stadt der näheren Zukunft zu geben. Formen Sie mit – wir wollen die nächsten 20 Jahre voraussehen und an einer Stadt bauen, die dann rückblickend sinnvoll ist. Die Fortschreibung der Vergangenheit ist im gegenwärtigen Paradigmenwechsel hinfällig geworden. Die neuen Beurteilungskriterien sind Klima, Energie, CO2 und die Bezahlbarkeit des Wohnens. Permanent bleibt die Sorge für eine angenehme und lebensnahe Stadt mit schönen Wohnquartieren.

Bilder: oben Odessa, unten Paris / Zürich West

Froh um jedes Lüftchen

Mit den paar Tagen Hitze hinter uns sehen wir, wie ausgeliefert wir ihr sind. Das wird uns dann besonders klar, wenn im sommerlich schwachwindigen Zürich die Luft bei der üblichen hohen Luftfeuchtigkeit stillsteht. Das trübt die Freude am Sommer. Die Erkenntnis daraus: jedes Lüftchen ist Gold wert.

In den Hängen von Zürich-, Höngger- und Friesenberg können Hangwinde Erleichterung bringen. Im Pavé von Zürich herrscht passive Trostlosigkeit. Bremsen da die Häuser die lauen Lüftchen? Ein europäischer Teppich von Häusern – z.B. «le Tapis de Paris» bremst nicht, der Wind oder die Windchen streichen darüber hinweg. Durch Sog und Druck infolge von Strassen und Höfen wird eine Vielzahl kleiner Wirbel erzeugt. Ganz anders bei Hochhäusern, die das Häusermeer übersteigen. 1 Turm bremst noch nicht, doch ein Hochhaus-Stoppelfeld wie in Zürich, das sich jetzt rasant verdichtet, schon. Es erheben sich Wände, die sich in den sommerlich schalen Luftstrom stellen. Das Lochergut und die Depôt-Hard-Hochhäuser an der Limmat sind prominente Beispiele.

Wie der Stadtkörper als Ganzes geformt ist, beginnt im Zeitalter der Klimaerwärmung eine immer grössere Rolle zu spielen. Das muss eine aufgeweckte Bauverwaltung umgehend in Rechnung stellen. Die österreichische Stad Graz tat dies bereits im Jahr 2017. Sie hat die Hitzeproblematik erfasst und einen Klimaanpassungsplan mit 100 Massnahmen parlamentarisch beschlossen. Darin sind z.B. bauliche Strömungshindernisse erfasst. Zürich, hingegen, beratet jetzt die Erweiterung der 2001 bereits viel zu gross ausgelegten Hochauszonen. Dazu kommt noch die Idee einer «Dubai-Zone» mit unlimitierten Höhen. Dürfen wir mit den Wahlen von 2026 auf frischen Wind hoffen?

43° Celsius

Heute auf Instagram: “Portugal and Spain will face unbearable 43°C heat this weekend”. Bei uns sind es jetzt 33°C (nach Wetterbericht «gefühlt 35°C»); im schwachwindigen Pavé von Zürich und bei der hohen Luftfeuchtigkeit sehr unangenehm. Wir alle wissen, dass sich der Temperaturgalopp in den nächsten Jahren fortsetzen wird.

Möchte Zürich eine “Smart City” sein? 

Wenn Ja, müsste die Stadt sicherstellen, dass ab jetzt keine Fehler mehr gebaut werden. Das heisst: keine versiegelten Flächen und keine neuen Hochhäuser. Das erste ist längst erkannt. Stadträtin Simone Brander vermehrt Grünflächen und hat begonnen, eine Vielzahl von Anlagen zu schaffen (Posting vom 2. Juni 2025). Bei den Hochhäusern (Departemente von Stadtrat André Odermatt und Stadtpräsidentin Corine Mauch) braucht es noch Effort. Das Bild aus Lyon ist mit «Canicule) (Hundstage) und «höllische Hitze im Turm» bezeichnet. «Quartier minéral et peu ombragé» sind die weiteren Bemerkungen. Man «bratet» im Turm, weil er aus dem Häusermeer herausragt und schutzlos der Sonne ausgesetzt ist. Weil die Durchgrünung mit Bäumen fehlt, erntet auch das Pavé der Normalbebauung Kritik.

Die beste und auch dichte Stadtform ist «low rise / high density», weil sich daraus ein hitzeresistenteres Stadtgewebe ergibt, in dem Haus & Baum ähnliche Höhen erreichen. Das flirrende Licht der Blätter weicht nach dem herbstlichen Blattfall den Sonnenstrahlen auf Strassen und Fassaden. Diese Zusammenschau sieht «zuerivitruv» als Diskussionsbeitrag auf dem Weg zur Zürcher «Smart City».