Zu viel Zement in der Holznation

Wir sind eine Holznation – das Schweizer Waldgesetz schützt seit über 100 Jahren und geniesst international grosse Anerkennung. Ab und zu muss eine Nation dem Verscherbeln ihrer Ressourcen den Riegel schieben. Die liberale Gesellschaft ist dauernd tätig, erfindet und schafft materiellen Wohlstand, kann aber oft blind für die Schäden sein. Politisches Bewusstsein und Gesetze können das korrigieren.

Ist es erstaunlich, wenn steigende Temperaturen Artikel in Tageszeitungen hervorrufen? Europaweit mit 40°C in London und Paris Ende Juli und am 3. August lokal über Zürcher Hitzeinseln (Tages-Anzeiger, Seite 15). Auf der Anklagebank sitzen all die neuen Plätze: Hardplatz, Europaallee, Sechseläutenplatz. Der benachbarte Stadelhoferplatz hingegen ist mit seinen Platanen und dem rauschenden Brunnen «very much okay». Mit «zu viel Zement» sind im Titel dieses Postings steinartige Materialien zu verstehen, die eine hohe Speicherfähigkeit für Wärme aufweisen. Ein «Hitzekäfig» entsteht, wenn wir gezwungen werden uns zwischen heissen Speicherflächen von Wand und Boden zu bewegen. Das ist auf dem Vorfeld des neuen Polizei- und Justizzentrums (PJZ) der Fall und, wie schon am 18. Juli beschrieben, auf den Trottoirs der drei baumlosen Seiten des neuen Kunsthauses. Beim PJZ sind es 52 und 46°C die uns anstrahlen.

  • Warum schafft Zürich zur Zeit der Klimaerwärmung neue Hitzeinseln?
  • Und warum fördert Zürich aus dem Baumhorizont herausragende Hochhäuser?

«zuerivitruv» erlaubt sich hier ein geflügeltes Wort des bekannten Stadtwanderers Benedikt Loderer einzusetzen: «Wir müssen jetzt unser Oberstübchen neu vermessen».  «Balayer les amours»: die heissen Hartplätze und die Hochhausbesessenheit abtischen

. Die Holznation darf sich auf grosse Bäume besinnen und auf den urbanen Flachbau, der sich in selbiger Höhendimensionen bewegt. Es ist eine grosse Kulturfrage für unsere Stadt, wann das Umschwenken kommt.

2 Kommentare zu “Zu viel Zement in der Holznation”

  1. Endlich wird man sich der Werte grosser Bäume bewusst. Zu den angegebenen Werten kommen noch die Funktion als Feinstaubfilter, als Lärmschutz und als Sichtschutz hinzu. Hinzu kann man bei blühenden Bäumen den Duft der Blüten genießen und die herrliche Herbstfärbung der Blätter. Kinder können anhand der Laubbäume wieder den Wechsel der Jahreszeiten erkennen, was heutzutage bei dem Minimalismus und der immergrünen Formensprache in der Gartenarchitektur nicht mehr möglich ist. Es ist alles immer öde grün, zu jeder Jahreszeit. „Weniger ist mehr“ verfehlt auch den Erhalt der wichtigen Biodiversität.

  2. Ich lese die in der Abstimmung von Text und Fotos hervorragend gestalteten Beiträge von Heinz Oeschger immer mit grosser Freude und begleitet von innerer Zustimmung. Das ist nicht selbstverständlich. Denn Heinz verweist auf Sachverhalte, die m.E. in jeder Person, die sich im Denken und Handeln noch einigermassen von gesundem Menschenverstand leiten lässt, Empörung wachrufen muss: die unglaubliche Blindheit der für die städtische Baupolitik verantwortlichen Instanzen für Überlegungen, die jedem halbwegs aufgeweckten Primarschüler der Oberstufe einleuchten. Die Abwesenheit Schatten spendender Pflanzen in den von Heinz zitierten Beispielen (die Reihe könnte leicht ergänzt werden) steht bildhaft für die Leere der Hirne und den Schwund an Verantwortungsbewusstsein jener Personen, die im Stile autoritärer politischer Systeme in der Stadt Zürich menschenverachtende städtebauliche Projekte durchdrücken. Wie lange noch? Wann beginnen sich immer grössere Bevölkerungskreise gegen diese Art der Misshandlung von Bürgerinnen und Bürgern zu wehren?

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