Die Stadt ist mehr als nur simple Aneinanderreihung von Häusern; sie ist kunstvolles «Gewebe». Strassen, Flussläufe, Ufer etc sind Kette und Schuss. «Urban Fabric» war zu Zeiten des GLC (Greater London Council) das grosse Thema – «Fabric» als Lehnwort für Stoff aus der englischen Textilindustrie. Wenn es gut geht, bildet die Stadt ein für alle lesbares Gewebe, in dem Bauten und Anlagen, die für die Öffentlichkeit von Bedeutung sind, herausstechen. Das GLC hat u.a. «Factors of Character» in einem Plan festgehalten. Das sind emotionale Eigenschaften. Stadtplanung darf nicht nur technokratisch betrieben werden – denn die im Gewebe eingebauten kulturellen Werte blieben auf der Strecke. Margaret Thatcher hat das wertvolle Gremium zertrümmert und das Feld für starke Fäuste freigemacht. Der Wildwuchs in Londons Stadtbild ist bekannt.
Ein gut-europäisches Stadtgewebe wird von seiner Bürgerschaft gepflegt. Wie im Umgang zwischen Menschen helfen geeignete Regeln. Werden aber, wie jetzt für Zürich geplant, Quadratkilometer von 40 Meter Hochhauszonen vorgeschlagen, bricht die Ordnung zusammen, die schöne Party ist vorbei. Ein ausuferndes Stoppelfeld von Hochhäusern erzeugt im Stadtbild Chaos und kann kein Spiegel von Bedeutungen mehr sein. Zürich – das muss hier klar gesagt werden – würde sich zu einer billigen Schnellaufbaustadt, wie Wuhan oder Hanoi, entwickeln. Das in Jahrzehnten aufgebaute Tafelsilber würde in Frage gestellt und das Erbe der prägenden Geister wie Bürkli, Escher, Klöti, Herter, Steiner bliebe ohne Fortsetzung.
Bilder: Blockrandgebiet Wiedikon und Hardau / Letzi Türme
Wer die Bilder vergleicht, dem muss sofort auffallen, dass Beschaulichkeit und – vielleicht etwas überspitzt aber trotzdem angebracht – Herzlosigkeit aufeinander prallen.
Hier die Blockrandhäuser mit ihren grosszügigen Innenhöfen und dort die schuhschachtelngleichen „Wohntürme“. Also hier die geschützten Innenhöfe, die Platz für die spielenden Kinder und Jugendlichen anbieten, und dort die anonymen Hochhäuser, die den Kindern den Aufenthalt im Freien nur unter Aufsicht Erwachsener zulassen.
Doch in Zeiten der Kitas scheint der Wert der freien Entfaltung unserer Nachfolgegeneration nicht mehr hoch zu sein. Freiräume, in denen sich Kinder nach eigenem Gutdünken entfalten können, ist für viele Planer und Architekten nur eine romantische Schwäche, denn sie wollen sich ihre Denkmäler bauen. Und da ist ein 120 Meter hohen Glasturm, möglichst noch von einer extravaganten Form geprägt, wesentlich toller.
Wir alle wissen, dass die Wohnsituation die Seele eines jeden Menschen prägt und dies gilt besonders für die sich zu Erwachsenen entfaltenden Kinder. Kinder brauchen unbeaufsichtigte Momente – vor allem geschützt im Freien. Randblockbauten trugen dem Rechnung, Hochhäuser aber nicht.
Viele fahren täglich an den fünfstöckigen Wohnblöcken vorbei und wissen nicht, dass sich hinter diesen Blöcken Juwelen von Innenhöfen befinden, die übrigens auch von Erwachsenen gerne genutzt werden.
Wo sind diese bei Hochhäusern?
Dies ist nur eines der vielen Argumente, die den Sinn eines mit Hochhäusern gespicktes Zürich bezweifeln.