Falsch eingesetztes Kapital

Schränke behausen Waren – ob gekühlt oder nicht. Die Werte, die man darin auf die Tablare schichtet, warten passiv darauf, irgendwann behändigt zu werden. Und wie steht es mit gestapelten Bewohnern des Hochhauses? Ab der dritten Etage sind sie auf den Lift angewiesen. Der Schacht nabelt sie vom Erdgeschoss ab – der Bezugsebene im Quartier. Doch Bewohner haben im Unterschied zu Haferflocken ein Eigenleben und spontane Bedürfnisse: Teilnahme an Aktivitäten oder Besuch von Pärken und Ufern. Dieses Ein- und Aus funktioniert nur genügend flüssig bei einer gewissen Bodennähe. Darum wurden in New York um 1900, als die Erfindung des Lifts «Elevator-Buildings» möglich machte, nur Büros damit erschlossen. Vom Flatiron Building bis hin zum World Trade Center.

Europa erfand dann den lieblosen «Wohnsilo» u.a. in den Banlieues von Paris und Marzahn/Ost-Berlin: Einseitig technokratische Massenbewältigung ohne einen Gedanken an Soziologie des Wohnens – bis zum Ende dieser Türme und Scheibenhochhäuser durch Sprengung. Doch Jahrzehnte später ist das Hochhaus für Wohnzwecke in Zürich wieder da: Die besonders hohe Investition pro Quadratmeter und der höhere Mietertrag pro Quadratmeter sind der Motor. Das Ganze entsprang nicht etwa einem Bedürfnis der Bevölkerung, sondern einer lukrativen Geschäftsidee, die auf Kosten von allem anderen geht. Das ist ein Fall von falsch eingesetztem Kapital. Keine Spur von menschengerechtem Wohnen, erschwinglichen Mieten oder sorgsamem Umgang mit der Grauen- und der Betriebsenergie. An diesem Ende der Strecke sind wir jetzt angelangt. Die Einsicht in den Unsinn steht gegen das schädliche Geschäftsmodell. Wann pfeift die Politik Stadträte und Verwaltung vom falschen Weg zurück? 

Ein Kommentar zu “Falsch eingesetztes Kapital”

  1. Lieber Heinz, einmal mehr möchte ich Dir zurufen: Ausgezeichnet! Deine wohlüberlegten, gekonnt geschriebenen und offensichtlich überzeugenden Texte und eindrücklichen Bilddokumentationen müssten Pflichtlektüre in Gymnasien, Universitäten, Berufsschulen, Parteien, etc. und in der internen Kommunikation von Unternehmen sein/werden. Hast Du schon mal an eine Veröffentlichung einer Sammlung Deiner Beiträge gedacht? Herzliche Grüsse aus den Ferien, Markus

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