Schöne Stadt & hellozurich

Alle wollen in einer schönen Stadt leben. Mensch & Stadt ist eine alte Sache. Geschichte, Architektur, Soziologie und Politik haben eine umfangreiche Literatur geschaffen, die selbst Teil der «Stadt» geworden ist. Die Stadt ist ein sich über Jahrhunderte verändernder Spiegel der lokalen Zivilisation.

Zürich: «Alles in Allem» von Kurt Guggenheim.

Paris: «l’Invention de Paris. Il n’y a pas de pas perdus” von Eric Hazan

Paris: «Paris. Hauptstadt Europas 1789-1914» von Johannes Willms

«hellozurich”, das Zürich-Magazin, will in der digitalen Welt ein solcher Spiegel sein. See, Quaianlagen, Limmat, Lindenhof kommen in den Bildern zum Zug. Doch fällt auf, dass die Linse kaum je in Zürich West und Nord fündig wird. 

Park am Wasser

Soeben ist eine erfreuliche Nachricht eingetroffen: Die Stadt Zürich hat einen kleinen Quartierpark bei der Fabrik am Wasser an der Limmat eröffnet. Kleinparks sind für eine Stadt sehr wichtig. Eine Idee, die 1893 der seinerzeitige Stadtingenieur Viktor Wenner anhand von Planung und Bau der Rampenstrassen zur Erschliessung des Zürichbergs vorschlug. Zwei davon entwarf Architekt Gustav Gull (Amtshäuser, Stadthaus, Landesmuseum): Die Aussichtskanzel an der Gloriastrasse und das Tempelchen mit Brunnen flankiert von zwei Pappeln am Toblerplatz. 

Ende der achtziger Jahre wurde Barcelona berühmt durch sein Stadterneuerungsprogramm, der Schaffung einer Vielzahl von kleineren und grösseren Pärken und dem erstmaligen Zutritt zum Meer auf breiter Front. Bürgermeister Narciso Serra und der Beauftragte für Städtebau Oriol Bohigas waren die Initianten – Politik und Fachleute fanden zusammen.

Wie schon geschrieben: «Das ist Europa: Man arrangiert sich, man hat immer wieder eine Idee zur Verbesserung des öffentlichen Raumes, denn wir wollen ein gutes Leben». Meist kommen solche «Embellissements publics» in Fieberschüben, ausgelöst durch Persönlichkeiten. In Zürich sind es Conrad Ulrich (Stadtbaumeister) und Arnold Bürkli (Stadtingenieur) mit ihrem grossen Werk der Quaianlagen 1887 (Städtebau der Liberalen) und Viktor Wenner mit einem sehr schön angelegten Strassennetz. Dann Stadtrat und später langjähriger Stadtpräsident Emil Klöti (Rotes Zürich) der zusammen mit Stadtbaumeister Hermann Herter die Stadt gegen Norden erweiterte. Nicht zu vergessen der internationale Städtebauwettbewerb von 1915-18. Eine kleine Perle aus dieser Zeit: die traumhafte Tramstation am Bellevue. Die schönste in Europa? 

Parc André Citroën

Keine Stadt kann alle Wünsche erfüllen, doch, wie wir gesehen haben, ist Paris «trotz allem» dauernd dran. Wie in Zürich, wurden ebenfalls im Westen Industrieareale aufgegeben. Auf dem ehemaligen Areal einer Automobilfabrik entstand 1992 der Parc André Citroën. Zwei grosse Pflanzenhäuser geben den Auftakt zu einer weit ausgreifenden Wiese, die rechts von Kleinparks gesäumt ist. Links die Anlage eines Kanals. Wie das obere Bild zeigt, ist man dran, jetzt einen direkten Zugang zum Ufer der Seine zu schaffen. Die vorgeschlagene Piscine am Flussufer erinnert uns ein bisschen an die Zürcher Frauenbadi vor dem grandiosen Geschäftshaus Metropol.

Das ist Europa: Man arrangiert sich, man hat immer wieder eine Idee zur Verbesserung des öffentlichen Raumes, denn wir wollen ein gutes Leben.

Ein Adolphe Alphand für Zürich!

Zürich «verdickt» sich baulich in seinem Westen und Norden. Das passierte ab 1853 auch in Paris. Die Eingriffe Haussmanns, die zu den Boulevards führten, sind gleichzeitig von Adolphe Alphand durch die Schaffung von öffentlichen Räumen begleitet worden. Das war eine erfolgreiche «Stadtbau-Maschine». Nach dem Rücktritt des Kaisers 1871 ging es in der 3. Republik weiter. Es braucht also keinen Kaiser. Diese oft gebrauchte Ausrede für die städtebauliche Schwäche von Zürich gilt nicht und ist sogar in Zürich selbst widerlegt worden: Mit der Schaffung der grossartigen Quaianlagen 1887 am See. Jetzt sollte es mit der Öffnung des Zürcher Westens vor allem um den Limmatraum gehen. 

Wie im Posting vom 27. Juli 2022 festgehalten, hat der damalige Vorsteher des Gartenbauamts Peter Stünzi angesichts des Wachstums (der vermehrten Zubetonierung) bereits 1985 vor Hitzestau im Pavé von Zürich gewarnt und sein «Leiterli» vorgeschlagen: Eine Grünzone entlang der Limmat und eine entlang des Gleiskörpers mit Alleen in Verbindungsstrassen. All’ dies ging vergessen. Heute, in der akzentuierten Klimakrise, wird in diesen Bereichen drauflosbetoniert, sogar mit den stadteigenen Tramdepôt-Türmen.

Grün Zürich, die Nachfolgeinstitution des Gartenbauamtes, muss ermächtigt werden, gegenüber der Stadtbaumeisterin einen gleichberechtigten «Alphand» einzusetzen. Lesen Sie bitte die schwungvolle Legende zum Bild.

Flussufer Zürich – Paris

Anne Hidalgo, die Stadtpräsidentin von Paris, überrascht immer wieder mit Wohltaten für die Bevölkerung. Es ist der Sinn, die Seele dieser Stadt – trotz Metropolendruck – immer wieder für Erweiterungen von öffentlichen Freiräumen gesorgt zu haben und dies weiterhin zu tun. Die einst königlichen Tuilerien wurden öffentlich zugänglich gemacht, dann der Hof des Louvre, hier im Bild sichtbar die Uferzonen der Seine im Jahr 2021 und, ebenfalls Hidalgo, die Pläne bis 2030, die Place de la Concorde mit den Champs Elysées zur Fussgängerzone zu machen.

Zürich gelang es, bis auf den sehr schön angelegten Wipkingerpark, noch nicht, die Limmatufer seinem neu erblühten Westen dienlich zu machen. Wie wir in den letzten Postings gesehen haben, ist das Gegenteil vorgesehen: Hochhauszonen sollen Uferzonen in den Schatten stellen. Im Bild rechts die Hochhäuser Depôt Hard. Erinnern wir uns wie es vor wenigen Jahren besser lief: ab Drahtschmidli entstand limmatabwärts z.T. auf dem Trassee einer stillgelegten Bahnlinie (Letten) eine Kette von attraktiven Freiräumen entlang dem Fluss: Popularität «hoch». Auch eine Querung der Limmat auf der ehemaligen Eisenbahnbrücke gehört dazu. Sie verbindet zu den ebenfalls aktivierten Gleisbögen bereits tief im Kreis 5 auf der anderen Seite des Flusses. Nicht zu vergessen, dass sich dort auch die Josefwiese mit Wasserspielen, Spielplatz und Restaurant findet. Da ist ein ganzes Netz von Freiflächen entstanden – an Sonntagen ein urbanes Eldorado – «Hidalgo» in Zürich.

Dass es besonders entlang den Gewässern weitergeht, unterzeichnen Sie bitte die Petition www.uferschutz.ch

Wo ist das Glück?

Suchen wir doch unser Glück wo es ist! Unser Bauamt meint Verdichtung durch Kasernierung in lebens- oder zumindest familenfeindlichen Hochhäusern fördern zu müssen. Paris weist 4-fache Einwohnerdichte von Zürich (pro km2) auf. Ohne Hochhäuser. Wir haben also noch 3-fach Reserve bis wir zum Hochhaus greifen müssen. Dazu kommen die im Richtplan 2021 durch Abstimmung beschlossenen Verdichtungszonen im Westen und im Norden der Stadt. Ohnehin dauernd läuft die Verdichtung innerhalb der Bausubstanz: Das linke Bild zeigt eine gut gelungene Aufstockung einer ehemaligen Fabrik beim Ampèresteg an der Limmat. Rechts einer der vielen Entwürfe, die laufend aus Wettbewerben hervorgehen. Hier bei der Tramendstation Rehalp.

Zürich ist innerhalb der Bau-und Zonenordnung gut unterwegs. Brachialgewalt mit Hochhäusern ist weder sinnvoll noch nötig.

Geplante Düsternis am Wasser

Das Bild des letzten Postings zeigt die düstere Stimmung, die am Nachmittag und Abend durch Hochhäuser am Wasser über den Limmatraum geworfen würde. Innert kürze werden uns das die beiden städtischen Tramdepôt-Hochhäuser, die sich im Bau befinden, vormachen. Dass der begehrte städtische Wipkingerpark beeinträchtigt wird, ist ein zusätzlicher Schaden. Die Illustration ist einer Publikation über die Hochhausstudien des Amtes für Städtebau entnommen. Der Verfasser hat die nachmittägliche Düsternis an den schattigen Fassadenwänden am Fluss durch Abdunkelung korrigiert. Sie sehen den Unterschied zur allzu heiteren Originaltönung der Publikation im Bildteil links («zueriviitruv» konnte es nicht lassen, mutige Sportler vom Hochhaus direkt in die Limmat springen zu lassen).

«zuerivitruv» weist rechtzeitig, bevor die Revision des Hochhausleitbilds in den Gemeinderat und die öffentliche Vernehmlassung kommt, darauf hin, dass hier die Grundlage zu einer grossen städtebaulichen Fehlleistung gelegt würde. Zürich käme, wie New York an der East Side, zu einer traurigen schattigen Uferzone. Wasser bedarf des Glitzerns und das ist einzig durch einen offenen Himmel zu erreichen. An den Uferbereichen bedarf das Leitbild einer vollständigen Rücknahme der Hochhauszonen. Die im letzten Posting erwähnte Uferschutzinitiative belegt das steigende Bewusstsein in der Bevölkerung.

Mit anderen Worten: Zürich sollte die jahrelange Umstrukturierung seines Westens dazu benutzen, für all die neuen Bewohner wertvolle Lebensräume am Wasser zu schaffen.

2 x Städtebau aus dem Publikum

Wir wissen um die langjährige städtebauliche Schwäche unserer Stadt. Das hat zur Folge, dass bei zu gross werdenden Missständen die Initiative aus der Bevölkerung heraus ergriffen wird. «zuerivitruv» darf berichten, dass dies in jüngster Zeit zwei Mal geschehen ist.

Zum Ersten hat die «Arbeitsgruppe Städtebau + Architektur Zürich» beim Gemeinderat der Stadt Zürich eine Petition eingereicht. Im Grossen geht es darum die Energiewende mit Städtebau zu verbinden: «ökologischer Städtebau». In 6 Kapiteln sind konkrete Vorschläge zur Erreichung der Ziele aufgelistet. Der Gemeinderat hat bereits reagiert und die Petitionäre kürzlich an eine Kommissionssitzung eingeladen. Die Petition ist zugänglich unter: www.asaz-arch.ch

Zum Zweiten hat das «Intiativkomitee Uferschutz, 8000 Zürich» eine städtische Volksinitiative zum Schutz der Limmat- und Seeufer vor Hochhäusern lanciert. Bekanntlich will das Amt für Städtebau in Ufernähe oder sogar an den Ufern Hochhäuser zulassen (Bild). Das Hochhausleitbild soll in dieser Richtung revidiert werden. Unterschriften können innert einer Frist bis Ende Jahr von Stadtbürgerinnen und Stadtbürgern eingereicht werden. Unterschriftenbögen und Homepage sind zugänglich unter:  www.uferschutz.ch