Buffalo & Pompidou

Als die Stadt Buffalo durch den Schiffsverkehr zwischen den grossen Seen von Nordamerika noch reich war, erstellte sie stolz ihr imposantes Stadthaus – die «City Hall». Paris kam durch Willen des Präsidenten der Republik zu seinem «Centre Pompidou». Die höchst unterschiedlichen Gebäude haben eine Eigenschaft gemeinsam: sie ragen aus der Stadtsilhouette heraus. Das mit Bedacht – nicht wie Zürich mit seinem ungeordneten Wildwuchs von bedeutungslosen Hochhäusern. Der Bedacht liegt darin, dass die Gebäude von Buffalo und Paris von öffentlichem Interesse sind. Das gibt ihnen die Legitimation der prominenten Erscheinung im Stadtbild: Herausragendes ragt heraus. In Paris sind es nur wenige Etagen. Sie genügen um einen stupenden Rundblick zu bieten. Alles dank der Städtebaudisziplin mit dem haussmannschen Höhenplafond von 5 ½ Etagen. Ein Massen-Wildwuchs von Hochhäusern hingegen zeugt von einer Stadt ohne Würde und Gestaltungswille.

«zuerivitruv» schaltet eine kürzere Ferienpause ein und meldet sich wieder.

Kappeli & Koch

«Kappeli» kennen wir aus dem letzten Posting. Eine dort lebende Bewohnerin beschwerte sich schon vor mehr als zwei Jahren über unaufhörliches Wachstum des benachbarten «Basilisk»-Wohnturms, denn möchte nicht eingekesselt werden. Jetzt beschwert sie sich erneut, denn der Wohnturm des Kochareals ist ausgesteckt und wird für sie den Uetliberg abdecken. Der unkontrollierte Wildwuchs der Hochhäuser beginnt zu schmerzen. Erst jetzt wird den meisten klar, wohin die Reise geht: in einen Hochhauswald hinein. Es kann jetzt jedem friedlich Wohnenden passieren, dass eine Wand vor seinen Kopf gestellt wird. Seltsamerweise hat die Presse – ausser der P.S. Zeitung – noch nicht damit begonnen, das Zürcher Hochhausfieber gründlich zu durchleuchten und die vorhandenen Alternativen vorzustellen.

Die Verdichtung, die vor zwanzig Jahren im dichten urbanen Flachbau qualitätsvoll begann, wird jetzt oft durch Wuhan-artige Wucherung fortgesetzt. Das ist ein ganz anderer Galopp, der die Nachbarschaften schädigt und das Stadtbild zunehmend verdirbt. Angesichts dieser unschönen gebauten/betonierten Tatsachen könnten wir dem Gemeinderat und dem Stadtrat vorschlagen, einen Marschhalt einzulegen. Angesagt wäre zum Beispiel die Rückkehr zur bewährten Bau- und Zonenordnung, die einerseits über grosse Ausnützungsreserven verfügt und anderseits die im Richtplan beschlossenen Verdichtungszonen erhalten wird. Bekanntlich erreichen die kompaktesten Städte Europas – wie Paris und Barcelona – ihre Dichte im urbanen Flachbau. Sie machen das mit einem attraktiven Stadtgewebe und nicht mit isoliert stehenden Wohnsilos.

Kappeli Altstetten

Wir fahren auf dem Pfad der Stadterneuerung weiter. Nach dem «J» am Lommisweg folgt jetzt ein grosses «C «an der Baslerstrasse. Theo Hotz Partner sind 15 Jahre später am Werk. Die Geste wird grösser, die Baudichte höher. Es geht hier nicht um den gewöhnlichen Ersatz eines Zahns in einer Reihe, sondern um die Gestaltung eines ganzen Areals. Um das Jahr 2000 war das eine ganz neue Aufgabe: die Bebauung einer grossflächigen Industriebrache. Den Startschuss gab die Aufhebung der ursprünglichen Industriezonen. Die plötzliche Freiheit hätte ratlos machen können. Die Architekten brachten beides gleichzeitig zur Synthese: den passenden Auftritt an jeder der vier Kanten des Areals und ein stimmiges vielfältiges Konzept im Inneren. 

Nicht ein «Haus» resultierte, sondern eine Art Stadtplanung auf dem Grossareal und im gleichen Zug die Schaffung von neuem Stadtgewebe: Allee, mehrschichtiger Lärmrücken mit einer inneren Kaskadentreppe und eine Reihe von Punkthäusern zwischen den Enden des grossen «C». Zur Erinnerung: wir befinden uns mit dieser Reihe von Postings auf der Spur der Beweisführung, dass ein Stadtgewebe isolierten Türmen in fast jeder Beziehung vorzuziehen ist. Es macht die bessere Stadt.

Lommisweg Altstetten

Diese Siedlung haben die Architekten Baumann und Frey bereits 1985 für die Genossenschaft ABZ beim Bahnhof Altstetten erstellt. Schon früh wurde hier mit der Lärmlage bewusst und erfolgreich umgegangen. Im Winkel an der Hohlstrasse, wo Lärm herrscht, erheben sich von einer Allee begleitet Maisonettewohnungen an Laubengängen. An der ruhigeren Altstetterstrasse sind die Wohnungen terrassiert. Zusammen umschliessen sie einen grünen Hof mit Rasenflächen und Spielgeräten. Damit sind alle Wohnungen gut «geerdet», die Lärmfrage gelöst und die Umgebung erst noch gut gestaltet – ein Meisterstück!

Die Architekturszene brachte in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts unter der anonymen Massenproduktion genügend innovative Beispiele hervor. Für vieles und hier für dem Umgang mit schwierigem Baugelände. So finden sich auch Projekte die uns vormachen, wie im bestehenden Stadtgewebe verdichtet werden kann.

Das Amt für Hocbauten verdichtet mit Erfolg

Währenddem das Wachstum von Zürich im Städtebau (Planung) wenig erfreuliche Resultate hervorbringt, leistet das Amt für Hochbauten (Realisierungen) – ebenfalls bei Stadtrat André Odermatt angesiedelt – in grosser Kadenz wertvolle Beiträge. Es organisiert Architekturwettbewerbe für anspruchsvolle Vorhaben, stellt aber sein enormes Wissen auch den Genossenschaften und sogar Privaten zur Verfügung. Auf diesem Weg entstehen in der heute zweiten grossen Bauperiode Zürichs (die erste gegen Ende des 19. Jahrhunderts) mehr als nur Einzelhäuser – es sind ganze Ensembles und sogar neue Nachbarschaften.

Diese beiden Verdichtungsprojekte geschehen ohne Zuhilfenahme von Hochhäusern im qualitätvollen urbanen Flachbau europäischer Prägung. Darum stehen die Wohnungen in einer glücklichen Beziehung zur Umgebung. In beiden Fällen weisen sie offene Innenhöfe auf. Solche Eingriffe bereichern das Stadtgewebe von Zürich.

Bilder: Wohnsiedlung Buchegg (Baugenossenschaft Waidberg) und Kronenwiese (Stadt Zürich)

Bernoulli und Limmat West

Wir setzen die Reihe von wertvollem Stadtgewebe fort. Prof. Hans Bernoulli erstellte ab 1924 die gleichnamigen Bernoulli-Reihenhäuser zwischen Hardturmstrasse und Limmat. Hof- und Gartenseite wechseln sich ab. Der Verbund zwischen Haus und Umgebung ist deshalb von hervorragender Qualität. Die Übergänge zwischen privat – halbprivat – halböffentlich und öffentlich sind optimal.

Denkt man, die Dichte sei heutzutage zu gering, bietet sich die Siedlung «Limmat West» gleich nebenan als Beispiel für verdichteten urbanen Flachbau an. Eine Reihe von dreigeschossigen Bauten wechseln mit Wohnhöfen ab. Darüber erstreckt sich über die volle Länge von 435 Metern ein 4 ½-geschossiger Brückentrakt. Ein vorgelagerter Riegel bestehend aus Büros und Läden wirkt als Filter zur stark befahrenen Hardturmstrasse. Den Zwischenraum bildet eine altstadtähnliche Gasse. Mit Limmat West ist ein wertvolles eigenes Stück Stadtgewebe entstanden.

Gedanken über glückliche Siedlungen

Das Titelblatt der Festbroschüre «100 Jahre Riedtlisiedlung» bringt uns zum Bewusstsein, wie gelungene und glückbringende Siedlungen durch die Ausbreitung eines eigenen Gewebes innerhalb des Stadtgewebes entstehen können. Stadtbaumeister Friedrich Wilhelm Fissler ist 1912 mit der Riedtlisiedlung ein Wurf gelungen. Stimmt ein Entwurf, kann er durch geschickte Renovation und Anpassungen an die Zeit über Jahrzehnte weitergezogen werden. Bei den englischen Siedlungen, die kürzlich gepostet wurden, sind es bereits Jahrhunderte. Geschaffene Werte und geschaffene Identität zahlen sich aus. Die Wohnzufriedenheit ist hoch.

Die Ausnützungsziffer – das Dichtemass auf dem Grundstück – beträgt 144%. Würde die dreistöckige Siedlung heute mit vier Etagen neu konzipiert, ergäben sich daraus 192%. Bei dieser Aussenraumqualität ein sehr guter Dichtewert. Wir sprachen in den letzen 7 Postings über den urbanen Flachbau und sehen, dass sich Wohnqualität und Dichte ohne das sozial und energetisch ungünstige Hochhaus erreichen lassen.

Grafik: Idee und Gestaltung pechmaria.ch