Verdichtung durch Rochaden

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Wenn es um Verdichtung geht, hat die allzu simple Tabula Rasa-Methode mit Abriss und Leerkündigung subtilere Varianten erhalten. Über Aufstockung wurde schon in den Postings vom 23. Juni bis 4. Juli 2024 gesprochen. Hier wird die mathematische Gleichung neu geschrieben: Fix ist das Wohnen der Mieter. Ein Teil von ihnen zieht in den jeweiligen Neubau. 

Die Bilanz: Eine Verdichtung durch grössere Zahl der Wohnungen und alle Mieter behalten oder erhalten eine Bleibe. Am Schluss überleben 3 von 7 Altbauten. Wenn engagierte und kluge Köpfe Wege suchen gehen neue Türen auf.

Klima verlangt den urbanen Flachbau

Wir müssen zwischendurch auch einmal wissenschaftlich werden: Wir kennen das «Cambridge-Papier», 18. November 2024 auf «zuerivitruv». Die Universitäten Cambridge UK und Boulder Colorado USA haben das Forschungspapier

publiziert – ohne Ingenieure, ohne Architekten – rein wissenschaftlich mit der Frage: „Wie lassen sich Städte bezüglich CO2 im Bau und Betrieb optimieren? Welche Stadtform ist bezüglich CO2 die ideale? Es geht um den Stadtkörper als Ganzes. 

Sie kennen die Schlussfolgerung: 

  • Das Hochhaus ist für die Dichtebewältigung nicht notwendig (Paris ist ohne Hochhäuser 4x so dicht wie Zürich).
  • Die Idealform ist „low rise / high density”. Der Einfamilienhausteppich (zu verzettelt) und das Hochhaus (zu energieintensiv) scheiden aus. Das Papier nennt Paris und Barcelona als gute Beispiele. Paris: 5 ½ Etagen der Planung Haussmann – eine riesige flache Stadt (Défense ausgenommen).

Wir werfen nochmals einen Blick auf die ABZ-Siedlung Toblerstrasse und speziell auf das Spiel zwischen Aussenraum und Haus. Ein solches Gewebe kann nur gelingen, wenn das Haus flexibel wird und den Aussenraum als Partner sieht. Ist es ein Tango?

Paris muss nicht mehr viel machen: Seine Häuser (les «Haussmanniennes») haben schon die erforderliche Dichte mit den mindestens 5 ½ Etagen zu denen die geräumigen, inzwischen oft ausgebauten Dächer kommen. In Zürich stecken im «Cambridge-Rahmen» gesehen oft noch Reserven. An der Toblerstrasse wurde die Vorgängersiedlung abgebrochen. Als Alternative kommt Aufstockung in Frage.

Neues im urbanen Flachbau

Nach dem Unterbruch durch die Tagesaktualität der Depôt-Türme zurück zum begonnenen «Flow» im neuen Jahr: 

Vieles läuft gut im urbanen Flachbau (4-6) Etagen. Die Stimmung ist gut und innovativ. Es kommen neue Konzepte von Bau & Freiraum. Die liegenden Stangen (die Zeilenbauweise) und der übrigbleibende Restraum dazwischen wird langsam zur Vergangenheit. Der Aussenraum emanzipiert sich und wird Partner. Er erhält eine eigene Statur, Charakter und Grösse. Die Grösse entsteht durch örtliches Zurückweichen der Häuser, kombiniert mit deren Vortreten an anderer Stelle. Die Lockerung und das Spiel kann gegenüber den bisher starren und rechtwinkligen «Möbelstücken» grosse Vorteile bringen. Bei den abgebildeten Siedlungen handelt es sich Engimatt (private Bauherrschaft) und um ABZ Toblerstrasse, beides EMI Architekten.

«zuerivitruv» bringt einen Hauch davon, nicht zuletzt um aufzuzeigen, dass im guten europäischen urbanen Flachbau gerade in der Schweiz etwas läuft. «zuerivitruv» möchte nicht vergessen zu diesem Thema am 26. und 27. Januar 2021 einen Anfang in Basel am Schaffhauserrheinweg gemacht zu haben (Sarasin Anlagestiftung / Jessenvollenweider Architekten). Die Verdichtung im urbanen Flachbau gewinnt mit diesen Fortschritten einen noch grösseren Vorteil gegenüber dem disruptiven Hochhaus mit seinen sozialen und energetischen Nachteilen.

7. Januar: Präsentation der Depot-Türme

Nicht nur im Januar, auch schon ab dem Oktober wärmt man sich gerne im Wipkingerpark, spaziert oder setzt sich auf die Stufen zur Limmat und geniesst den offenen Horizont in Richtung Sonnenuntergang.  Nichts davon, weil, wie die Leserschaft von «zuerivitruv» schon lange weiss, die Stadt Zürich eine Hochhauswand auf der Südseite des Flusses in die begehrten Sonnenstrahlen gestellt hat. Ein teurer Irrläufer: Wohnhochhäuser auf einem Tramdepôt. Drei Viertel der Wohnungen sind für Familien vorgesehen. Von 200 Kinder wird erwartet, hier «hors sol» aufzuwachsen. Der bekannte Kinderarzt Remo Largo meinte zu dieser Wohnform: «Sagen Sie mir einmal, wie man im 24. Stock ein Kind aufziehen soll?». Die «Wohnwand» muss auf der sonnigen Südseite den Autobahnzubringer ertragen. Auf der Nordseite tut sie der Stadt ihr Beschattungswerk an. Die «Riviera des Westens» – der Wipkingerpark – ist auf alle Zeiten geschädigt. Im letzten Jahr hörte «zuerivitruv» aus der Stadtverwaltung: «das würden wir heute nicht mehr so machen». 

Alles in allem: Ein harter Schlag für Zürich, begründet in im Jahr 2001 falsch platzierten Hochhauszonen auf der Sonnenseite der Limmat. Zehn Jahre später erfolgte eine Aufdatierung der Hochhausrichtlinien, jedoch keine Korrektur der Fehlzonierungen. Die 2022 präsentierte Revision dieser Richtlinien befinden sich in Beratung. Es ist zu hoffen, dass die Fehlzonierungen aufgehoben werden. Sonst wird es dann endgültig ungemütlich an der Limmat.

Denkt man weiter nach, wird jetzt endgültig klar, dass Zürich in der Wachstumsphase über keine städtebauliche Lenkung verfügt – «no urban governance» wie Prof. Alain Thierstein im letzten Jahr gesagt hat.

Jeder Stadt ihr Bild

Die Behauptung, Städtebau sei spannend wie ein Krimi ist seit dem letzten Posting unwidersprochen geblieben. Für die Stadt Zürich stellt sich die Frage: 2025 weiter (praktisch) ohne Städtebau? Neben der Topographie macht «Städtebau» die Form der Stadt: von kurzfristigen Folgen bis zur Langzeitwirkung der Eingriffe. Hier werden die Weichenstellungen für die Stadtstruktur und das Stadtbild vorgenommen. Hier wird entschieden, ob im Zusammenhang mit der Landschaft eine schöne Stadt entsteht. Nehmen wir ein Beispiel aus der Zeit des gewissenhaften und vorausschauenden Bauvorstands Emil Klöti vor etwa 100 Jahren. Die Bebauung begann sich aus dem Pavé der Stadt auf drei Seiten in die Hanglagen hinauf auszudehnen: Zürichberg, Hönggerberg und Friesenberg. Schädlicher Wildwuchs stand zu befürchten. Ein schon gebautes Beispiel an der Ecke Gloriastrasse / Häldeliweg zeigte, was zusammengebaute innerstädtische Baublöcke aus mehreren Häusern in Hanglage anstellen. Klöti ordnete in zwei verschieden dichten Zonen offene Bebauung an. Vom Hafen Enge sehen wir heute am Gegenhang des Zürichbergs den Übergang von Blockrandbebauung am See bis hinauf zu den «Kuben im Grün» gegen den Waldrand zu – ein sehr schönes Stadtbild zusammen mit dem See (Bild: Wikipedia / Roland zh). 

Solche Zonenpläne im Verbund mit Bauregeln bleiben Jahrhunderte sichtbar. Sie sind eines der Mittel der Stadtgestaltung. So kann es auch einmal geschehen, dass sich Regeln und Erlasse nicht bewähren. Zum Beispiel die viel zu gross geratenen Hochhauszonen von Zürich, die sich im missratenen «Stoppelfeld» äussern. Hier ist Korrektur angesagt, wenn Zürich mit seinem Stadtbild etwas auf sich hält. 

2025: Glück & Geist für Zürich

«zuerivitruv» begrüsst seine Leserschaft im neuen Jahr und hofft auf viele Gelegenheiten, Gutes berichten zu können. Die neuen Kriterien Klima/Energie/CO2 bieten schöne Chancen – helfen Sie mit, ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. Wir konnten einigen Postings des letzten Jahres entnehmen, wie der Einfluss dieser zeitgemässen Kriterien der Stadt guttun könnte. Die Frage des Jahres 2025 lautet: Was machen die Führungskräfte daraus? «Städtebau» kann so spannend sein, wie ein Krimi. Dass es dazu kommt, erwarten wir mit Neugier eine der Zeit entsprechende und vorausschauende Baupolitik. Wird die Aufgabe ernst genommen, könnte sie an Stelle des heutigen Haders einigende Kraft entwickeln. Die Klima/Energie/CO2-Medizin könnte Zürich aus dem städtebaulichen Schlaf erwecken und die einengende und etwas kleingeistige Hochhausfixierung lockern um den Blick auf die Stadt als Ganzes zu öffnen. 

Mehr Gewicht auf lebenswertere Nachbarschaften, feinere Verteilung der Versorgung für den täglichen Bedarf und dadurch mehr «fussläufige Stadt». Einerseits resultiert daraus höhere Lebensqualität und anderseits reduziert sich der Platzanspruch des flächenintensiven Autoverkehrs. Das ist die unausweichliche Bedingung für Verdichtung innerhalb der Städte und für genügend tiefwurzelndes Baum-Grün. In Paris, London und auf Manhattan reisen die Berufsleute schon seit 100 Jahren per ÖV zur Arbeit, denn Dichte und alleinige Autoerschliessung haben sich schon immer ausgeschossen. Mit den Flexity-Trams hat unsere Stadt ein fast lautloses Transportmittel eingekauft. Die Zeiten, als ÖV Lärm bedeutete, sind vorbei. Hiermit hat «zuerivitruv» nur einige von vielen Aspekten beleuchtet. Wichtig ist die daraus hervorgehende Logik: Die Syntehse der Aspekte ist gefragt. Mit dem Bild von Johannes Peter Staub hofft «zuerivitruv» in der schönen Zahl «2025» auf gute und schöpferische Zusammenarbeit.