Gestaltung der Milliarden

Das hässliche «Stoppelfeld» von Zürichs Westen und Norden befriedigt niemanden. Es rührt von städtebaulicher Führungsschwäche her. Seit dem Erlass der Hochhausgebiete im Jahr 2002 sind die Folgen immer deutlicher wahrnehmbar. 

Die Umstände der europäischen Städte Ende des 19. und Anfang des 21. Jahrhunderts sind verschieden. Doch gibt es – wie immer in der Geschichte – Parallelen. Was machte die Regierung im Paris von Haussmann mit Anlagedruck und was Zürich heute mit den investitionsbereiten Milliarden der Immobilienkonzerne?

Zürich lässt die Investitionen führungslos laufen; Paris hat sie zu Gunsten der Stadt gelenkt. Die Rendite bleibt die selbe. Paris ist mit und nach Haussmann zur schönsten Grossstadt der Welt geworden, währendem Zürich (wie übrigens auch London) jetzt den Pfad des Zufalls beschreitet und mit einem immer chaotischer werdenden Stadtbild bezahlt. Sollte der Richtplan Siedlung die Abstimmung passieren, wird dieser unerfreuliche Weg noch bestärkt, denn verborgen im grossen Konvolut des «Richtplans Siedlung» findet sich die Freigabe der Höhen für Hochhäuser (bisher 40, 60 und 80m-Zonen). Dazu soll noch die Möglichkeit geschaffen werden, Hochhäuser zu verclustern, d.h. Hochhausballungen zu ermöglichen. 

Die schöne Stadt ist eine tägliche Quelle von Lebenskraft. Das Lebensgefühl ist ein anderes, nicht nur wenn Besucher kommen. Im Fall von Zürich steht die Gestalt der Stadt im Gletschertal auf dem Spiel und der Ruf unserer Epoche: «Was wir fertiggebracht haben».

Wirtschaftlicher Erfolg mit oder ohne die schöne Stadt – Sie haben es in der Hand: legen Sie ein NEIN zum Richtplan Siedlung ein! 

Fataler Eintrag im Richtplan

Wenn wir uns darüber einig sind, dass infolge neuer ökologischer Erkenntnisse unser  Oberstübchen neu zu vermessen sei (siehe auch Posting vom 6. August), dann muss ein Beschluss des Gemeinderats bei der Verabschiedung des kommunalen Richtplans erstaunen: 

Die geltenden Höhenlimiten der 40, 60 und 80m-Hochhauszonen sollen ersatzlos aufgehoben werden. Zudem soll es möglich sein, Hochhäuser zu «verclustern», d.h. Gruppen zu bilden. «Cluster» aus dem Englischen bedeutet Bündel, Schwarm oder Ballung und in der Epidemiologie «Wucherung».

Der Richtplan, 2018 vorgelegt und in Jahren zuvor erarbeitet, ist unverschuldet nicht mehr auf dem neusten Stand. Er hätte in den vergangenen drei Jahren angepasst werden können. Die neuen Erkenntnisse aus Klima, Energie, Ökologie und der Wohnsoziologie verlangen eher die Widerabschaffung der Zürcher Hochhauszonen, als deren Ausweitung durch Ballung von Hochhäusern in unlimitierter Höhe.  

Die Grünliberale Partei hat den beschriebenen wenig grünen Vorschlag im Rat eingebracht und «zuerivitruv» hat den obigen Bildvergleich zur Veranschaulichung erstellt. Sie sehen die Gruppierung und eine Andeutung der unbeschränkten Höhen. 

Wollen wir das? Wenn nicht, muss der Richtplan Siedlung (es gibt noch den zweiten für Verkehr) abgelehnt werden.

Nach den Herbstferien

«zuerivitruv» erlaubt sich, nach den Ferien nochmals die Dynamik im Stadtbild von Zürich aufzugreifen. Das hat nebenbei auch mit der Volksabstimmung über den Richtplan unserer Stadt Ende November zu tun. Die Abstimmungsunterlagen sind im Anmarsch.

Das Doppelbild veranschaulicht das physische Abbild der Baupolitik unseres Hochbaudepartements. Ein Blick zeigt: Nicht kompatibel mit dem natürlichen Wunsch in einer schönen Stadt zu leben.  Eine Stadt kann Freude machen und täglich aufmuntern. Dass es so weitergeht, mit dem ungeregelten «Stoppelfeld» garantiert die schon bald zwanzigjährige Bewilligungspraxis.

Im Richtplan versteckt sind zwei Anträge, die einerseits die Höhenlimiten der heutigen 40, 60, 80 Meter-Hochhauszonen aufheben und anderseits die Verclusterung (med.: Zellwucherung) erlauben. Das heisst in Somma: ganze Gruppierungen von Hochhäusern in unlimitierter Höhe. «zuerivitruv» wird noch im Detail auf diese beiden Anträge eingehen.  

Verdichtung mit Mass und Würde Nr. 4

Die Universität schreitet in diesem Jahrhundert mit der Verdichtung fort. Das Kollegiengebäude aus dem Jahr 1914 mit dem eindrücklichen Innenhof, um den herum alle Disziplinen auf einen Blick sichtbar versammelt sind, brauchte einen weiteren und grösseren Hörsaal. Im Inneren wurde er an den grossen Hof angedockt und im Äusseren in die Böschung am talseitigen Abhang zwischen die im letzten Posting erwähnte Mensa und das Kollegiengebäude gesetzt. Im Bild sind es die rot eingefärbten Betonkuben. Die Dachfläche dient als Vorplatz mit Reflecting-Pool. Im gleichen Zug erhielt auch die benachbarte Mensa eine öffentlich zugängliche Dachterrasse.

Das ist der zweite Erweiterungs- und Verdichtungsschritt. Beide brachten auch neben ihrer neuen Nutzfläche Gewinne für das Ganze. Am Wochenende ereignet sich – oft mit Alpenblick – Modefotographie und Skateboard.

Die Beispiele zeigen, wie Verdichtung – ohne die Kurzschlusshandlung eines Hochhauses – funktioniert. Mit Sorgfalt und Kultur baut die Universität an unserer Stadt weiter. Die beiden Bausteine lassen eine schöne Zeitdynamik über die Jahrhundertwende spürbar werden*. Tragisch ist, dass das Hochbaudepartement gleichzeitig und immer noch disruptive Hochhausprojekte von Grossinvestoren begünstigt.

* Vielleicht wird «zuerivitruv» einmal die positive Dynamik bei der Entwicklung des Louvre über die Jahrhunderte darstellen.

Verdichtung mit Mass und Würde Nr. 3

Die Universität hat es schon im letzten Jahrhundert vorgemacht. Die damals neue grosse Mensa wurde um 1970 so in den Hang terrassiert, dass der Hang respektiert wird und der würdige Universitätsbau aus dem Jahr 2014 die Dominante im Stadtbild bleibt.

Wir schauen über die Hecke des benachbarten Rechberggartens zur Universität. Dazwischen liegt ein gut gestalteter Treppenabgang, der die Wohnquartiere mit der Altstadt verbindet. Die Einbindung ist hervorragend gelungen, denn auch die Uni wird eingebunden und erhält Zugang zum Park. So kann sich in der Stadt Leben ausbreiten. 

Verdichten mit Mass und Würde, Nr. 2

So gemütlich, grün und ökologisch kann man es sich einrichten. Das Rennen unter den neuen Paradigmen Energie, Ökologie und Soziales ist offen. Hier wurde eine Wohnbau-Genossenschaft tätig: «Mehr als Wohnen» in Zürich Leutschenbach. 

In der Nachbarschaft enttäuscht ein Immobilienkonzern und will das leider schon übliche eiskalte «Placement» in Form eines Hochhauses auf der gegenüberliegenden Strassenseite erstellen. Die Ausnahmebewilligung kommt von unserem Bauamt. Sprechen Sie mit Stadtrat André Odermatt. 

Verdichtung mit Mass und Würde

Jetzt wird es konkret mit der erträglichen Verdichtung unter dem neuen Paradigma von ökologisch, energetisch und sozial. Es geht um Verdichtung mit Mass und Würde. Und es geht um Verdichtung unter den genannten zeitgemässen Kriterien.

Am Riehenring in Basel haben Jessenvollenweider Architekten für die Wohnstadt Bau- und Verwaltungsgenossenschaft 36 Wohnungen in den Innenhof einer Blockradbebauung eingefügt. Die bewegt polygonale Form und die isländischmoosgrüne Lasur der Holzfassade sorgen für unaufdringliche Beschwingtheit im streng definierten Hof.

Primitiv und ausserhalb der zeitgemässen Paradigmen wäre ein Hochhaus gewesen. Das Beispiel ist in dem Sinn wichtig, dass es sehr schön illustriert wie mit Weiterdenken statt einer Kurzschlusshandlung eine bessere Lösung resultiert.

Das Laissez-Faire beenden. Den Paradigmenwechsel gestalten.

Es gilt, eine neue Synthese zu finden. Die Entwicklung seit der Jahrhundertwende war leider ein Zuviel von Laissez-Faire zu lasten von Stadtbild, Stadtklima, Bevölkerung, Nachbarschaften und den Quartieren. Zu viel Stahl und Zement und zu viel Höhenstapelung von Familien in Wohnsilos, Auftürmung von Strömungshindernissen und Schaffung von Hitzeinseln. Die Zeit für die Ablösung dieser Leitsätze ist gekommen. Ein Paradigmenwechsel drängt sich auf.

Im Posting vom 5. Februar hat «zuerivitruv», zur Besinnung auf den Ursprung im Würm vor 20’000 Jahren, das «Glacier-Valley» eingeworfen, unser schönes Gletschertal. Wie wollen wir uns im menschengeformten Anthropozän ab jetzt einrichten?

Es braucht wohl eine neue Ästhetik, die Energie, Ökologie und Soziales zu einer Synthese bringt.