Limmatraum und der Paradigmenwechsel

   « Limmatraum und der Paradigmenwechsel »

Wir stehen im Paradigmenwechsel bezüglich Energie/Klima/CO2: Alles, was zu viel Energie konsumiert, muss vermieden werden. Das Hochhaus ist wegen beidem in Frage gestellt: der grauen Energie bei der Erstellung und der Betriebsenergie über die gesamte Lebensdauer. Das bekannte Forschungspapier «Decoupling density from tallness …» (Internet) der Universitäten Cambridge UK und Boulder Colorado USA stellt es grundsätzlich infrage. In «low rise / high density» liegt einzig die Zukunft.

Wenn Stadtrat André Odermatt sogar auf der Sonnenseite des Limmatraums durchs Band den Weiterbau einer Hochhauswand sichern will, ist das mit Blick auf die Zukunft besonders grotesk. Dass er sich auch dort für das Hochhaus exponiert, wo es das noch junge Pflänzchen des von der Industrie befreiten Limmatraumes überhaupt nicht erträgt, muss aufhorchen lassen. Ein Lobbyist für das fragwürdig gewordene Hochhaus? Ein Lobbyist für die Beibehaltung der falsch platzierten Hochhauszone auf der Südseite der Limmat? Ein Lobbyist in wessen Interesse?

Unteres Bild: Depôt-Hard-Hochhäuser beschatten den Wipkingerpark.

Analgesie im Limmatraum

Die Vorgeschichte, wie aus den früheren Postings ersichtlich, beunruhigt in mannigfacher Hinsicht und die Suche nach Erklärung des Desasters – und des ausbleibenden Schmerzes – soll ausnahmsweise einmal bei der Medizin anklopfen. Warum versenkt eine Stadt einen Teil ihres Lebensraums und nimmt ihm sogar noch seine Zukunftsperspektive? Lesen Sie im Bild, was die Medizin sagt. Was mit der Volksabstimmung geschah, ist das Erwürgen von etwas, das man liebhaben und pflegen sollte, doch man gab ihm den Schuh. 

Warum?

«Arashyama» heisst der Vergnügungsbereich am Fluss von Kyoto. «zuerivitruv» hat ihn erlebt: Lampions, Glitzern des Wassers bei Tag und Nacht, Gaststätten, Fröhlichkeit. In Europa hat die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, mit der Aufwertung der Ufer der Seine Paris für die einmalige Olymiade 2024 tauglich gemacht. Doch Zürich zieht es vor, den Fluss mit Hochhäusern ins «Schwitzchäschtli» zu nehmen. Dabei darf es wohl nicht bleiben.

Es gibt kein Bier auf Hawaii. Es gibt kein Städtebau in Zürich

Seit langem lag in der Luft, dass Zürich unter Städtebauschwäche leide. Das ist in der gegenwärtigen Wachstumsphase besonders nachteilig. Jetzt ist der Test mit der Abstimmung über den Limmatraum anhand der Uferschutzinitiative zu Ende gegangen. Das Resultat: nicht bestanden. Unterstellungen und Falschinformationen (Posting vom 11. September) und ein strategisches Bubenstückli des Hochbaudepartements mit seinem zahnlos gemachten Gegenvorschlag haben von dem Thema der Uferschutzinitiative «Keine Hochhäuser direkt an den Ufern» abgelenkt und damit von einer Zukunft des Limmatraumes. Dass eifrige Gegner aus Parteien und (!) Stadtverwaltung gemeinsam Hochhauszonen auf der Sonnenseite der Limmat verteidigen, wird als tragischer und skurriler Fall in die Zürcher Geschichte eingehen. Seitdem die Industriezonen in Zürich-West vor über 30 Jahren(!) aufgehoben wurden, wartet der Limmatraum auf eine lebenswerte Gestaltung. Es soll immerhin gesagt werden, dass die Grüne Partei die Uferschutzinitiative befürwortet hat und AL mit EVP Stimmenthaltung empfohlen haben.

Bilder:  explore_the_earth

– hochhausfreie Limmat –

Was die Uferschutzinitiative in Zürich an stolzen Bauten erlaubt, lässt sich in Paris veranschaulichen, das seinen Fluss schon für Jahrhunderte länger pflegt und sorgfältig bestückt. Man hat den offenen Himmel über dem Flussraum schon immer gewollt. Welche Stadt will schon ihren Fluss zwischen Hochhäusern in einem Schattenkanal? Der Schriftsteller Palul Valéry nannte es «le ciel ouvert de Paris». Es ist peinlich, dass der Zürcher Städtebau gegenwärtig so tief gefallen ist, dass Stadtrat und die grosse Mehrheit der Parteien die Uferschutzinitiative ablehnen, damit auf der Süd-und Lichtseite der Limmat eine Hochhauswand möglich bleibt. Das heisst, dass ein Planungsfehler aus der unsorgfältigen Hochhausplanung des Jahres 2001 fortbestehen und, wie mit den neuen Depôt-Hard-Hochhäusern realisiert, weiterhin sein Unheil anrichten soll. 

Auf eine Zukunft mit hochhausfreien Limmatufern!

Der Abstimmungskampf kommt in ein reifes Stadium. Leider eine Reife mit ein paar übelriechenden Komponenten. Die neuste ist der heutige Bericht im Tages-Anzeiger, der den Abstimmungsgegenstand – den Limmatraum – einmal mehr in den Hintergrund drängt. Das Initiativkomitee Uferschutz hat einen schweren Stand für hochausfreie Limmatufer zu kämpfen. Wie gesagt, würden gute zonengemässe Bauten den Limmatraum in eine schöne Zukunft führen. Weg vom Industriekanal und hin zu einer lebenswerten und florierenden Ufermeile auf beiden Seiten der Limmat. Jeder Bauherr kann bauen – und der Limmatraum wird mit jeder neuen Liegenschaft freundlicher. Eine Konzeptstudie könnte helfen, der Qualität etwas auf die Beine zu helfen. Doch muss erst einmal die Abstimmung gegen viel Widerstand gewonnen werden. 

Unlautere Kampagne der Uferschutz-Gegner

   « Unlautere Kampagne der Uferschutz-Gegner »

Das Komitee Uferschutz hat soeben festgestellt, dass die Uferschutzgegner auf ihren öffentlichen Plakaten bildliche Falschaussagen machen. Die Gegner behaupten erstens im Text, die Uferschutzinitiative verhindere zu Unrecht Wohnen und zweitens bilden sie dazu ein Wohngebäude mit 4 1/2 Etagen ab, was jedoch die Uferschutzinitiative ausdrücklich erlaubt.

Das ist missbräuchlich, weil das Komitee Uferschutz gute bauzonengemässe Bauten im Uferbereich ausdrücklich willkommen heisst, weil sie die Transformation der Limmat vom ehemaligen Industriekanal zum wertvollen Teil der Stadt befördern. Was das Komitee mit seiner Uferschutzinitiative ablehnt, sind Hochhäuser auf der Süd- und Lichtseite der Limmat. Abschreckendes Beispiel ist die neue Hochauswand der Siedlung Depôt Hard, welche die Limmat und den Wipkingerpark in den Schatten stellt. Dieses städtebauliche Versagen darf sich nicht wiederholen. 

Die Uferschutzinitiative blickt in die Zukunft und will eine positive Entwicklung des Limmatraums im Interesse der Bevölkerung anstossen.

Gegen das Gemeinwohl

   « Gegen das Gemeinwohl »

Hört man sich vor der Abstimmung im Publikum um, kommt einem eine viel grössere Zustimmung zur Uferschutzinitiative entgegen, als sich das bisher in den Abstimmungsparolen von einigen Parteien und der NZZ spiegelte. Bringen wir den Begriff «Gemeinwohl» ins Spiel, dann muss diese Ablehnung in höchstem Mass erstaunen. Denn wie in den vorgängigen Postings dargelegt, kann es nicht im Interesse der Allgemeinheit sein, auf dem Südufer der Limmat das Entstehen einer Hochhauswand zu fördern und damit den Fluss und das Gegenufer auf alle Zeiten in den Schatten zu stellen.

Noch rätselhafter ist die Regierung, die der Uferschutzinitiative einen Gegenvorschlag entgegenstellte, der ähnliches für die Gewässer enthält, aber die Hauptsache – den Schutz der Ufer vor Hochhäusern – herausgeschnitten hat: Regierung gegen Volonté Générale? 

Wenn Paris seinen Fluss im Griff hat (Bild) und ihm einen offenen Himmel sichert, warum soll das das keinere Zürich nicht auch fertigbringen? «zuerivitruv» ist, wie eingangs gesagt, in den letzten Tagen zuversichtlicher geworden.  

Vakuum in Zürich?

Die weit verbreitete Ablehnung, sich über den Limmatraum überhaupt Gedanken zu machen dauert schon über 30 Jahre an – seit der Entlassung grosser Gebiete von Zürich West aus der Industriezone. Das ist «Städtebauschwäche pur». Dafür zuständig wäre vor allem das Hochbaudepartement. In dieser baukulturellen Schwächephase können – wie im letzten Posting beschrieben – Fantasien ungehindert grassieren, die jegliche Diskussion über die Zukunft dieses Stadtteils ersticken. Die eingesickerte Absenz von Städtebau lässt kaum Zukunftsgedanken zu:  Man geht an die Prüfung, doch hat man die Klasse nicht besucht. Tragisch ist, dass Aufbauendes für den Limmatraum wie im feuchten Sand versinkt. Im Bericht der NZZ vom 4. September kommt der städtebauliche Unfall der Depôt-Hard-Hochhäuser mit der Beeinträchtigung des Wipkingerparks mit keinem Wort vor, obwohl solche Projekte der eigentliche Auslöser der Uferschutzinitiative sind. Das brutale Bauvorhaben bedeutet eine erhebliche Verletzung der Stadt. Doch der Schmerz scheint weder im Stadtrat noch im Lokalteil der NZZ wahrgenommen zu werden. 

«zuerivitruv» sucht etwas ratlos nach Plattformen, wo Städtebau überhaupt ein Thema sein könnte. Wäre da nicht noch die Präsidialabteilung mit der Abteilung für Stadtentwicklung? Paris hat eine Stadtpräsidentin, die sich in Städtebaufragen persönlich einbringt: Quais sind vom Verkehr befreit und die bisher einzige Olympiade, die sich in einem Stadtbild implementierte, hat diesen Sommer an der Seine stattgefunden. 

Das ist das unglaubliche Vakuum in der so prosperierenden Stadt Zürich! «Zuerivitruv» setzt auf die Bevölkerung. Nur sie kann dem Limmatraum mit einem deutlichen JA zur Uferschutzinitiative eine Zukunft verschaffen.