7 HHLB: Charakter oder Willfährigkeit

   » Die starke Stadt formt – die schwache Stadt wird verformt «

Es ist kein Geheimnis mehr, dass fast überall in unserer Welt anonymes Kapital ein «Placement» sucht – wie Wassermassen das Gefälle. Das heisst nicht, dass man sich überspülen lassen muss. Gute Städte machen sich den Anlagedruck in Immobilien zunutze und formen ihn. Nicht Widerstand machen, sondern Segel setzen und dabei den Steuermann nicht vergessen.

Konkret: Zürich muss lernen, diesen Anlagedruck zu Gunsten der Stadt zu formen. Hochhausleitbilder sind dazu der falsche Weg, denn zwanzig Jahre Hochhausleitbild- und Zonen haben im schönen offenen Gletschertal ein chaotisches Stoppelfeld produziert und teure, statt bezahlbare Wohnungen gebracht. Im Zeitalter der Ökologie ist das Hochhaus mit seinem Konsum von grauer Energie bei der Erstellung und hohem Verbrauch im Betrieb aus der Zeit gefallen. Es hat seine Begründung endgültig verloren; es ist zum Symbol der Willfährigkeit gegenüber dem anonymen Anlagedruck geworden. Beim Curling würde man von «bäsele» sprechen. Es wurde schon genug Schaden angerichtet – für die nächsten zwanzig Jahre erwarten wir von der Stadt «Führung».

Bilder: oben Vulcano-Türme, unten das Stadtgewebe von Rom

Formen – nicht verformt werden

Eine Stadt muss nicht verformt oder deformiert werden. Es ist immer die Summe der Einzelinitiativen gewesen, die gute Städte gemacht hat. Kommt ein lokaler Geist ins Spiel, gibt sich die Stadt kluge Regeln und wird damit besser. Das zeigen die europäischen Städte in besonderem Masse. Zürich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist ein gutes Beispiel: Landschaft, Topografie, die Gestaltung der Wachstumslinien und die Bauregeln haben ein prächtiges Resultat hervorgebracht. Die ETH lieferte die Talente für die Bauten. Das Geschäft florierte, die Stadt konnte mit Quaianlagen und Dampfschiffen auch Vergnügen anbieten. 

«zuerivitruv has a Dream»: Er träumt von einer ähnlich brillanten Leistung in unserer zweiten grossen Bauperiode. Behörde, Bauträger und Nutzer formen die Stadt. Befreien wir uns aus überholten Sach- und anderen Zwängen, die sich über Jahre und Jahrzehnte eingenistet haben. Werfen wir die Hochhausleitbilder über Bord und machen wir eine schöne Stadt.

   » Die starke Stadt formt – die schwache Stadt wird verformt «

6 HHLB: Die politisch einzig elegante Lösung

Wird alternativlos ein falscher Weg vorgeschlagen, ist es klüger, ihn auszuschlagen, statt an ihm herumzuflicken. Überblick und eine gewisse Grösse des Geistes ist dafür eine Vorbedingung. Es ist Tatsache, dass uns das «Hochhausleitbild 2001» nach 20 Jahren Betriebsdauer ein chaotisches, viele sagen hässliches Stoppelfeld ins offene Gletschertal gebracht hat. Wenn unserer Stadt jetzt von Amtes wegen vorgeschlagen wird, in selbiger Sache eine zweite Stufe der Rakete zu zünden, könnte eine Denkpause Glück bringen. Wir könnten uns fragen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Es könnte ja sein, dass auch der Städtebau, wie gegenwärtig viele andere Disziplinen, neu gedacht werden muss.

Falsch weiterfahren ist sicher falsch. Der Gemeinderat hat es in der Hand mit seinen Spezialkommissionen Urteilskraft einzubringen und damit das Geschick der Stadt in die Hand zu nehmen. Der vorliegende Vorschlag für eine zweite Stufe des Hochhausleitbilds hätte dann den wertvollen Zweck erfüllt, Anlass für eine Weichenstellung in eine bessere Zukunft gegeben zu haben. 

5 HHLB: Das eigentlich Enttäuschende an den Hochhausrichtlinien

Die Schädlichkeit wilder Hochhausbauerei, insbesondere in europäischen Städten, ist längst erkannt. Auf seinen fünf Zeilen gelingt es Michael Mehaffy, Ursache, Wirkung und Schaden der Hochhauskrankheit ein Profil zu geben.  

Bauämter müssten das Baugeschehen im Interesse von Stadt und Bevölkerung steuern:  Die Baubehörde definiert im Grossen, d.h. im städtebaulichen Massstab. Dazu braucht es eine auf die Örtlichkeit der Stadt zugeschnittene Vorstellung. Die Rolle der Bauherren, und heute oft Investoren, ist es dann, in diesem Rahmen ihre Projekte zu realisieren. Daraus resultiert für die Bauherren eine viel grössere Sicherheit im Vorgehen und im Resultat auf lange Sicht. 

Eine ganz andere Schiene befährt das Zürcher Hochbaudepartement. Im Zeitalter von Ökologie wird immer noch mit Hochhausrichtlinien hantiert und die eigentliche Aufgabe – die Stadtgestaltung – beiseitegeschoben. 

» Das ist das eigentlich Enttäuschende an den neuen Hochhausrichtlinien «

Mit der Erneuerung der Hochhausrichtlinien wird der volumetrische Chaospfad für die nächsten zwanzig Jahre gefestigt und angetrieben. Das ist aus Gründen der Langlebigkeit von Gebäuden («Immobilien») ungünstig für unser Stadtbild und noch ungünstiger für die Nachbarschaften und die betroffene Bevölkerung.

4 HHLB: Aha – da sind neue Akteure!

Warum wird das Hochhaus gegen den neuen Geist der Ökologie im Städtebau gepusht? Wer steckt dahinter? Die überall kreisenden Anlagebroschüren zum Thema «Real Estate» können einen Hinweis geben. Haben wir andere Bauherren? Es sind nicht mehr die Privaten und nicht mehr die Firmen, die die Immobilienanlagen zu einem üblichen Zinssatz tätigen. Das war vor dem BVG jahrzehntelang der Fall und garantierte den Frieden. Die nationale und internationale Welt des Real Estate interessiert sich nur für Projekte über 100 Millionen Franken, die unkompliziert umgesetzt werden können. Das sind sogenannte «Placements». Vermutlich sind wir dem Rätsel schon nähergekommen.

Diese neuartigen kalten Placements sind nur mit einer willfährigen Verwaltung möglich, die das Stadtbild, das Ambiente für die Bürgerschaft, Quartiere und Nachbarschaften hintanstellt. Doch bei kluger Lenkung können solche «Placements» geformt werden, damit sie zu einem positiven, statt zu einem negativen Beitrag in der Stadt werden. Mit dem neuen Hochausleitbild, das den Hochhausbau erleichtert, würde ein falscher Weg begangen. Die Spuren wären irreversibel.

3 HHLB: Stoppelfeld accelerated

Zur Erinnerung: Die begonnene nummerierte Reihe «HHLB» befasst sich für eine Weile mit dem am 7. Dezember publizierten Entwurf für die Revision des Hochhausleitbilds aus dem Jahr 2001. 

Die Art, wie Zürich seit 2001 «behochhaust» wird, verdient keine andere Bezeichnung als «chaotisches Stoppelfeld». Die charakteristische Topografie mit Hügelzügen, See und Alpenblick wird durch diese Art von Wildwuchs zunehmend und erheblich gestört. Eine ungeordnete Volumeninvasion bricht über die Stadt herein. Wer den Text der Leitlinien interpretiert, sieht eine Beschleunigung des bisher praktizierten, aber lange dauernden Umgehungsverfahrens mit einem «Gestaltungsplan» und dem Abnicken des Baukollegiums. Es wurde von den Investoren in Kauf genommen, da Ausnützungsgeschenke winken. Im Fall des Projektes Heinrichstrasse der TELLCO hat das Amt Für Städtebau die für alle geltenden 230% Ausnützung auf 450% erhöht: Eine Hong Kong-Dichte neben den Gleisbögen. Mit der Verflüssigung des Verfahrens wird der «Verstoppelungsvorgang» in unserem Stadtbild beschleunigt. Die untere Hälfte des Bilds zeigt das gefühlte «Crowding», allerdings noch ohne die 3 ½ Kilometer lange «Dubai-Zone» mit der nach oben unbeschränkten Bauhöhe.

2 HHLB, Dubai-Zone

«Nicht so schlimm» war erstaunlicherweise der Ton des Tages-Anzeigers zum Entwurf für die Revision der Hochausrichtlinien, die ursprünglich 2001 erlassen wurden. Stadtrat André Odermatt sagte dort, dass man die Höhenlimite von 250 Metern (Dubai-Zone) entfernt habe, da sowieso nicht so hoch gebaut werde. Effektiv kann ohne Limite jede Höhe gebaut werden; ein Burj-Khalifa beispielsweise. Solche Verharmlosungen bringen uns nicht weiter. Die letzten zwanzig Jahre haben das chaotische «Stoppelfeld» gebracht: Zürich ist jetzt auf bestem Weg zur hässlichen Stadt – dort, wo London bereits angelangt ist. Wer hätte das vor zwanzig Jahren gedacht? 

Also wollen wir dieses Mal versuchen, besser vorauszudenken: Unendliche Bauhöhe auf 3.5 Kilometer Länge kann heissen, dass in unserem schönen offenen Gletschertal auf dieser Strecke eine «Wand» mitten in der Stadt entsteht. Das letzte Posting zeigt Ihnen das schwarz schraffierte Band auf dunkelblauem Grund. Die Türme würden sich in den nächsten zwanzig Jahren Stück um Stück zur «Wand» verfestigen.

Fazit: Das «Stoppelfeld» wächst kräftig weiter und gleichzeitig würde das Wachstum einer gigantischen «Wand» beginnen. Mit der Zeit würde das Stadtgebiet zwischen den Hügelzügen in zwei Hälften geteilt. Zusammen könnten das «Stoppelfeld» und die «Wand» unsere Stadtquartiere ganz schön in den Schwitzkasten nehmen. Der Aargauer Maler Hans-Rudolf Fitze hat dazu das passende Bild bereitgestellt.

1 HHLB (Hochhausleitbild)

«zuerivitruv» will sich dem noch in die Weihnachtszeit hinein publizierten Hochhausleitbild nicht entziehen. Eine durchnummerierte mit HHLB (Hochhausleitbild) bezeichnete Serie bringt Gedanken zur vorgeschlagenen Revision des Leitbildes von 2001. Da eine Vernehmlassung bis gegen Ende Februar läuft, steigen wir unverzüglich ins Thema ein und verschaffen uns mit der offiziellen Karte einen Überblick. Vergleichen wir mit dem durch Indiskretion im Tages-Anzeiger offengelegten Stand vom 1. Februar, sind Hochhauszonen zum Teil an am wenigsten sinnvollen Stellen, wie im Seefeld gestrichen worden. Geblieben ist der Hang von Albisrieden, der bislang nicht Hochhausgebiet war. Ebenfalls geblieben ist die «Dubai-Zone» von 3.5 Kilometer Länge zwischen Limmat und dem Gleiskörper. Zuvor war sie auf 250 Meter Höhe limitiert, jetzt ganz ohne Limite. Damit könnten Burj-Khalifas möglich werden. Wird Zürich damit noch mehr als bisher mit den Hochhauszonen von 2001 ein kleiner Möchtegern? Im Zeitalter der Ökologie gibt es in dieser Stadt offenbar keinerlei Überlegung über Sinn oder Unsinn eines Hochhauskultes.