Die Schwirren von Zürich West

Aus Erfahrung des Seekrieges 1436-50 errichtete die Stadt Zürich Palisaden zum Zürichsee hin. Einziger und kontrollierter Durchlass war das Grendeltor. Damit schützte die Stadt ihren Limmatraum. «Schwirren» nannte man die dazu verwendeten Holzpfähle. Sie verhinderten das Anlanden feindlicher Schiffe. Jahrhunderte später finden wir erneut diese Schwirren, jedoch aus Eisen und auf Festland unter der Hardbrücke. Grund ist die 2011 zwischen die Tragpfeiler der Hardbrücke gepferchte neue Tramlinie nach Altstetten. Sie wirkt mit den Eisenschwirren seither als Verteidigungslinie zwischen den Quartierhälften links und rechts. Was schon zuvor mit Stützen und Parkplätzen teilte, ist seit Errichtung des Eisenschwirren noch undurchlässiger geworden. Wollte die Stadt Zürich ihr neues Quartier im Westen zweiteilen? Es liegt uns fern, bösen Willen zu unterstellen, doch ist es wieder ein Hinweis darauf, dass in unserer Stadt – wie Prof. Alain Tierstein sagte* – die «Urban Governance» fehlt: Die jahrelange Hochhaustreiberei und neuerdings die Verhinderung der Uferschutzinitiative absorbiert die Kräfte.

Zur Geschichte: 1974 baute die Stadt die Hardbrücke zur Bewältigung des privaten Grossverkehrs in Zeiten, als mit dem Expressstrassen-Y amerikanische Verhältnisse nachgeahmt werden sollten. In den Zehnerjahren unseres Jahrhunderts folgte die beschriebene reine Ingenieurlösung mit der neuen Tramlinie und ihren Schwirren. Jetzt ist die Zeit für den Befreiungsschlag gekommen: Damit das generöse Dach dem neuen Quartier zur Verfügung stehen kann, muss das Tam in Seitenlage der Strasse geführt werden. Es geht um die Freistellung und Erweckung des Daches für uns alle. Das Bild aus 13ème Arrondissement in Paris soll uns beflügeln.

*  S. 6 Themenheft Juni 2024 von Hochparterre

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